Der Übergang von
einem Schnupfen in eine Entzündung der
Nasennebenhöhlen ist nicht sicher abgrenzbar.
Bei über 30 % der Erkältungskrankheiten (
common cold ) finden sich auch
Schleimhautschwellungen, gelegentlich sogar
Schleim- bzw. Sekretspiegel in den paranasalen
Sinus [2]. Umgekehrt ist die Nasenschleimhaut
fast immer betroffen, wenn im Röntgenbild der
Nasennebenhöhlen Entzündungszeichen nachweisbar
sind [3]. Deswegen wird der Begriff Sinusitis
zunehmend durch die korrektere Bezeichnung
Rhinosinusitis (RS) ersetzt.
![](Sinusitis-Therapie nach Maß-Dateien/RTEmagicC_d771f5716c.jpg.jpg) Abb. 1. Inzwischen
Geschichte: Diaphanoskopie der
Nasennebenhöhlen |
Im
hausärztlichen Bereich werden etwa 2 von 3
Fällen akuter Rhinosinusitis (ARS) durch eine
virale Entzündung verursacht [4, 5, 6, 6, 8].
Die Spontanheilungsquote ist hoch: Sie liegt
nach 10 14 Tagen durchschnittlich
bei 70 % [9].
Die Komplikationsrate einer
akuten Sinusitis maxillaris gilt als sehr
niedrig. Die niederländische Sinusitis-Leitlinie
[35] geht bei Erwachsenen aus dem hausärztlichen
Bereich von 1 Komplikation pro 10.000 akuter
Rhinosinusitiden aus; meist infolge von akuten
Verschlechterungen chronischer Sinusitiden
[36].
Erste diagnostische Schritte
Die Diagnose einer akuten Rhinosinusitis
(ARS) wird primär klinisch gestellt [12].
Symptome wie nasale Obstruktion, Hyposmie und
nasale Sekretion (eitriger Schnupfen) weisen
deutlich auf eine Rhinosinusitis hin.
Kopfschmerzen, Gesichtschmerzen, Fieber,
Müdigkeit und Zahnschmerzen sind nur dann
bedeutsam, wenn gleichzeitig eines oder mehrere
der erstgenannten nasalen Symptome vorliegen.
(Tabellen 1 und 2).
Die
Symptome von Patienten mit einer chronischen
Rhinosinusitis (CRS) sind weniger markant und
dauern definitionsgemäß mindestens 8 Wochen an.
Im Vordergrund stehen die behinderte
Nasenatmung, häufige Infekte der Atemwege oder
Kopfschmerzen.
Da klinische Symptome
oftmals unspezifisch sind oder ganz fehlen
können, ist zur Sicherung einer CRS im
Verdachtsfall die Veranlassung einer
Computer-Tomografie (Abb. 2) und/oder Endoskopie
(Abb. 3) als derzeitiger diagnostischer
Goldstandard zu erwägen.
![](Sinusitis-Therapie nach Maß-Dateien/RTEmagicC_8afee3aa1c.jpg.jpg) Abb. 2.
Computertomographie bei chronisch polypöser
Rhinosinusitis: Komplette Verschattung des
Nasennebenhöhlensystems beidseits.
Abb.
3. Endoskopie bei chronisch polypöser
Rhinosinusitis: Man erkennt einen in die
Nasenhaupthöhle hängenden
Polypen. |
Welche
Therapien für wen? Die unterschiedlichen
Therapieempfehlungen von Experten rühren
teilweise daher, daß die Studienergebnisse bei
Spezialfällen unzulässigerweise verallgemeinert
wurden. Die sinnvollste medizinische Versorgung
soll an Hand von 3 typischen Beispielen
aufgezeigt werden:
Der Routine-Fall
Ein ansonsten gesunder Patient leidet nach
einer Woche Schnupfen jetzt seit 4
5 Tagen zunehmend unter Schmerzen im
Stirnbereich. Ist ein Antibiotikum sinnvoll?
In Studien bei HNO-Spezialisten zeigten
sich Antibiotika bei akuter Rhinosinusitis meist
besser wirksam als in vergleichbaren
Hausarzt-zentrierten Untersuchungen. Wie ist das
zu erklären? Ganz offensichtlich hängt die
Erfolgsquote von Antibiotika davon ab, ob und
wie häufig jeweils pathogene Bakterien schuld an
der Erkrankung sind.
Wird eine akute
Rhinosinusitis nach klinischen Kriterien von
einem Hausarzt bzw. Primärarzt diagnostiziert,
finden sich bei Sinuspunktionen in 34 bis 50 %
pathogene bakterielle Erreger [13, 14], in
entsprechenden Untersuchungen bei Patienten in
HNO-Arztpraxen in 45 bis 61 %
[15].
Unterschiede durch Selektion
Die höhere Rate an bakteriellen Infekten bei
HNO-Spezialisten fand sich in Ländern mit einer
hausärztlichen Grundversorgung. Entsprechend der
Schmerzintensität, den Vorerkrankungen oder
einer besonders bedrohlichen Symptomatik wurden
in diesen Gesundheitssystemen schwerer Erkrankte
herausgefiltert.
Antibiotika selten
indiziert Im hausärztlichen Bereich ließen
sich relevante und sinnvolle Antibiotika-Effekte
bisher nur bei Nachweis von Pneumokokken,
Hämophilus Inf. oder Moraxellen in
Nasen-Abstrichen [21], bei Sekretnachweis per CT
der Nasennebenhöhlen [22] oder bei Patienten mit
starken Kopfschmerzen plus erhöhten
Entzündungsparametern (CRP, BSG) nachweisen
[23]. Unter diesen Bedingungen ließ sich in
mehreren randomisierten kontrollierten Studien
durch Antibiotika-Gabe über 5 ( 10) Tage die
Krankheitsdauer um durchschnittlich 2
3 Tage verkürzen.
Welche
Antibiotika und wie lange? Große
Metaanalysen [9, 30] konnten keine nennenswerten
Unterschiede in den Erfolgsraten der
unterschiedlichsten Antibiotika bei akuter
Rhinosinusitis finden.
Deswegen empfehlen
die meisten Leitlinien die preisgünstigsten
Therapien als erste Wahl: Amoxicillin und
Cotrimoxazol. Bei Verdacht auf Staphylokokken
ist auch ein penicillinasefestes Cephalosporin
(z. B. Cefuroxim) empfehlenswert.
Weitere Therapieoptionen Zu
chemisch definierten Sekretolytika (z. B.
Ambroxol, Bromhexin, Acetylcystein) liegen keine
aussagefähigen Wirksamkeitsbelege bei
Rhinosinusitiden vor. Pflanzliche Präparate aus
Cineol bzw. Gentiana-Extrakten zeigten in
kleineren Studien eine Symptomlinderung und
Heilungsbeschleunigung [31, 32].
Insbesondere
Sympathomimetika werden weltweit häufig
eingesetzt, um die Schleimhäute abschwellen zu
lassen. Es fehlen allerdings Studien, die die
Wirksamkeit belegen. Wegen der Gefahr des
Rebound-Effektes bzw. der Gefahr der Rhinitis
medikamentosa sollte man diese lokalen
Vasokonstringentien (z. B. Xylometazolin,
Oxymetazolin 0,05 %) nicht länger als 7 Tage
anwenden.
Eine geringere Gefahr für
solche Nebenwirkungen besteht bei niedrigeren
Dosierungen und bei Vermeidung von Präparationen
mit Benzalkoniumchlorid als Konservierungsstoff
[33].
Der (möglicherweise)
komplizierte Fall
Ein Patient leidet
wieder einmal nach einem Schnupfen zunehmend
unter starken Schmerzen im Stirnbereich.
Außerdem entwickelt er hohes Fieber und wirkt
apathisch und verlangsamt.
Komplikationen
einer Rhinosinusitis äußern sich oft zunächst in
Form von unspezifischen Symptomen wie Fieber,
Kopfschmerzen und Lethargie. Seltener werden
spezifische Symptome (Hirnnervenausfälle,
Krampfanfälle und Verwirrtheitszustände)
geäußert [36].
Bisher liegen zwar keine
Daten darüber vor, daß eine antibiotische
Behandlung schwere Komplikationen oder die
Entwicklung einer chronischen Sinusitis
verhindern kann [37]. Bei einer drohenden
Komplikation ist jedoch das Krankheits-Risiko
wahrscheinlich höher als das von
Antibiotika-Nebenwirkungen. Deswegen wird
allgemein bei Komplikations-Verdacht eine
antibiotische Therapie und eine Überweisung an
einen Spezialisten empfohlen.
Der
abklärungsbedürftige Fall
Ein Patient
leidet seit über 8 Wochen unter einem
Dauerschnupfen mit Verlust des Riech- und
Geschmacksvermögens und klagt über dumpfe
Kopfschmerzen sowie Hustenanfälle.
Bei
dieser Anamnese ist an eine chronische
Rhinosinusitis (CRS) mit oder ohne
Polypenbildung zu denken. Im Gegensatz zur
akuten Rhinosinusitis ist die Lebensqualität der
Patienten mit CRS oft dauerhaft deutlich
verringert.
In Einzelfällen
insbesondere bei chronisch rezidivierenden
Verläufen können sich darüber hinaus
bedrohliche Komplikationen wie z. B. eine
Orbital-Phlegmone oder eine fortgeleitete
Meningitis entwickeln.
In der Regel ist
deswegen eine weitere Abklärung sinnvoll, in
erster Linie mit Hilfe von Nasenendoskopie und
Computertomographie.
Therapieoptionen der
CRS Bei chronischer Rhinosinusitis wird oft eine
mehrwöchige antibiotische Therapie mit
Staphylokokken-wirksamen Antibiotika (Cefuroxim,
Gyrasehemmer, Amoxicillin-Clavulansäure)
empfohlen; allerdings liegen bisher keine
Studien vor, die eine Effektivität im Sinne
einer verbesserten Heilung gegenüber Plazebo
belegen könnten.
Bei akut rezidivierenden
und chronischen Rhinosinusitiden waren
Behandlungen mit Kortikoid-Nasenspray in
mehreren Studien effektiv [38, 39, 40].
Der Einsatz von topischen
Kortikosteroiden über mehrere Monate bei
unbehandelten Nasenpolypen sowie als
Behandlungsversuch zur Vermeidung einer
Operation sowie zur Rezidivprophylaxe nach einer
chirurgischen Therapie (6 Monate bis 1 Jahr) ist
ebenfalls zu empfehlen [41].
Die
prophylaktische Gabe von Bakterienlysaten konnte
in kleineren Studien das erneute Auftreten einer
Rhinosinusitis zumindest für den
Behandlungszeitraum und sechs Monate danach
reduzieren [42, 43, 44, 45].
Ausblick
Auf Grund der Studienlage ist es medizinisch
(und ökonomisch) sinnvoll, einerseits Ressourcen
von HNO-Ärzten vermehrt für die Diagnostik und
Therapie der chronischen bzw. akut
rezidivierenden Rhinosinusitis zu nutzen und
andererseits die Spezialisten von der Behandlung
unkomplizierter und unproblematischer akuter
Rhinosinusitiden zu entlasten.
Literatur beim Verfasser
Für
die Autoren:
Dr. med. Uwe
Popert
Arzt für
Allgemeinmedizin
Lehrbeauftragter an der Abt.
Allgemeinmedizin der Univ.
Göttingen