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Der Allgemeinarzt Heft 16, 2004 Jahrgang 26
 
Rubrik: ---
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Autor: Uwe Popert, Detmar Jobst
 
Routinefall, Komplikation oder chronischer Verlauf
 
Sinusitis-Therapie nach Maß
 
Die Empfehlungen von Experten zur Behandlung der Rhinosinusitis zeigen eine verwirrend große Bandbreite und reichen von Therapieverzicht bis zur generellen Gabe von Antibiotika. Der Hausarzt sollte die jeweilige individuelle Therapieentscheidung von der Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Infektion sowie von Krankheitsverlauf und Hinweisen auf Komplikationen abhängig machen.
 
 Der Übergang von einem Schnupfen in eine Entzündung der Nasennebenhöhlen ist nicht sicher abgrenzbar. Bei über 30 % der Erkältungskrankheiten ( common cold ) finden sich auch Schleimhautschwellungen, gelegentlich sogar Schleim- bzw. Sekretspiegel in den paranasalen Sinus [2]. Umgekehrt ist die Nasenschleimhaut fast immer betroffen, wenn im Röntgenbild der Nasennebenhöhlen Entzündungszeichen nachweisbar sind [3]. Deswegen wird der Begriff  Sinusitis zunehmend durch die korrektere Bezeichnung  Rhinosinusitis (RS) ersetzt.


Abb. 1. Inzwischen Geschichte: Diaphanoskopie der Nasennebenhöhlen

Im hausärztlichen Bereich werden etwa 2 von 3 Fällen akuter Rhinosinusitis (ARS) durch eine virale Entzündung verursacht [4, 5, 6, 6, 8]. Die Spontanheilungsquote ist hoch: Sie liegt nach 10   14 Tagen durchschnittlich bei 70 % [9].

Die Komplikationsrate einer akuten Sinusitis maxillaris gilt als sehr niedrig. Die niederländische Sinusitis-Leitlinie [35] geht bei Erwachsenen aus dem hausärztlichen Bereich von 1 Komplikation pro 10.000 akuter Rhinosinusitiden aus; meist infolge von akuten Verschlechterungen chronischer Sinusitiden [36].

Erste diagnostische Schritte Die Diagnose einer akuten Rhinosinusitis (ARS) wird primär klinisch gestellt [12]. Symptome wie nasale Obstruktion, Hyposmie und nasale Sekretion (eitriger Schnupfen) weisen deutlich auf eine Rhinosinusitis hin. Kopfschmerzen, Gesichtschmerzen, Fieber, Müdigkeit und Zahnschmerzen sind nur dann bedeutsam, wenn gleichzeitig eines oder mehrere der erstgenannten nasalen Symptome vorliegen. (Tabellen 1 und 2).





Die Symptome von Patienten mit einer chronischen Rhinosinusitis (CRS) sind weniger markant und dauern definitionsgemäß mindestens 8 Wochen an. Im Vordergrund stehen die behinderte Nasenatmung, häufige Infekte der Atemwege oder Kopfschmerzen.

Da klinische Symptome oftmals unspezifisch sind oder ganz fehlen können, ist zur Sicherung einer CRS im Verdachtsfall die Veranlassung einer Computer-Tomografie (Abb. 2) und/oder Endoskopie (Abb. 3) als der­zeitiger diagnostischer Goldstandard zu erwägen.



Abb. 2. Computertomographie bei chronisch polypöser Rhinosinusitis: Komplette Verschattung des Nasennebenhöhlensystems beidseits.

Abb. 3. Endoskopie bei chronisch polypöser Rhinosinusitis:
Man erkennt einen in die Nasenhaupthöhle hängenden Polypen.

Welche Therapien für wen? Die unterschiedlichen Therapieempfehlungen von Experten rühren teilweise daher, daß die Studienergebnisse bei Spezialfällen unzulässigerweise verallgemeinert wurden. Die sinnvollste medizinische Versorgung soll an Hand von 3 typischen Beispielen aufgezeigt werden:

Der Routine-Fall Ein ansonsten gesunder Patient leidet nach einer Woche  Schnupfen jetzt seit 4   5 Tagen zunehmend unter Schmerzen im Stirnbereich. Ist ein Antibiotikum sinnvoll?

In Studien bei HNO-Spezialisten zeigten sich Antibiotika bei akuter Rhinosinusitis meist besser wirksam als in vergleichbaren Hausarzt-zentrierten Untersuchungen. Wie ist das zu erklären? Ganz offensichtlich hängt die Erfolgsquote von Antibiotika davon ab, ob und wie häufig jeweils pathogene Bakterien schuld an der Erkrankung sind.
Wird eine akute Rhinosinusitis nach klinischen Kriterien von einem Hausarzt bzw. Primärarzt diagnostiziert, finden sich bei Sinuspunktionen in 34 bis 50 % pathogene bakterielle Erreger [13, 14], in entsprechenden Untersuchungen bei Patienten in HNO-Arztpraxen in 45 bis 61 % [15].

Unterschiede durch Selektion Die höhere Rate an bakteriellen Infekten bei HNO-Spezialisten fand sich in Ländern mit einer hausärztlichen Grundversorgung. Entsprechend der Schmerzintensität, den Vorerkrankungen oder einer besonders bedrohlichen Symptomatik wurden in diesen Gesundheitssystemen schwerer Erkrankte herausgefiltert.
Antibiotika selten indiziert Im hausärztlichen Bereich ließen sich relevante und sinnvolle Antibiotika-Effekte bisher nur bei Nachweis von Pneumokokken, Hämophilus Inf. oder Moraxellen in Nasen-Abstrichen [21], bei Sekretnachweis per CT der Nasennebenhöhlen [22] oder bei Patienten mit starken Kopfschmerzen plus erhöhten Entzündungsparametern (CRP, BSG) nachweisen [23]. Unter diesen Bedingungen ließ sich in mehreren randomisierten kontrollierten Studien durch Antibiotika-Gabe über 5 ( 10) Tage die Krankheitsdauer um durchschnittlich 2   3 Tage verkürzen.

Welche Antibiotika und wie lange? Große Metaanalysen [9, 30] konnten keine nennenswerten Unterschiede in den Erfolgsraten der unterschiedlichsten Antibiotika bei akuter Rhinosinusitis finden.
Deswegen empfehlen die meisten Leitlinien die preisgünstigsten Therapien als erste Wahl: Amoxicillin und Cotrimoxazol. Bei Verdacht auf Staphylokokken ist auch ein penicillinasefestes Cephalosporin (z. B. Cefuroxim) empfehlenswert.

Weitere Therapieoptionen Zu chemisch definierten Sekretolytika (z. B. Ambroxol, Bromhexin, Acetylcystein) liegen keine aussagefähigen Wirksamkeitsbelege bei Rhinosinusitiden vor. Pflanzliche Präparate aus Cineol bzw. Gentiana-Extrakten zeigten in kleineren Studien eine Symptomlinderung und Heilungsbeschleunigung [31, 32].
Insbesondere Sympathomimetika werden weltweit häufig eingesetzt, um die Schleimhäute abschwellen zu lassen. Es fehlen allerdings Studien, die die Wirksamkeit belegen. Wegen der Gefahr des Rebound-Effektes bzw. der Gefahr der Rhinitis medikamentosa sollte man diese lokalen Vasokonstringentien (z. B. Xylometazolin, Oxymetazolin 0,05 %) nicht länger als 7 Tage anwenden.

Eine geringere Gefahr für solche Nebenwirkungen besteht bei niedrigeren Dosierungen und bei Vermeidung von Präparationen mit Benzalkoniumchlorid als Konservierungsstoff [33].

Der (möglicherweise) komplizierte Fall
Ein Patient leidet wieder einmal nach einem  Schnupfen zunehmend unter starken Schmerzen im Stirnbereich. Außerdem entwickelt er hohes Fieber und wirkt apathisch und verlangsamt.

Komplikationen einer Rhinosinusitis äußern sich oft zunächst in Form von unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Lethargie. Seltener werden spezifische Symptome (Hirnnervenausfälle, Krampfanfälle und Verwirrtheitszustände) geäußert [36].

Bisher liegen zwar keine Daten darüber vor, daß eine antibiotische Behandlung schwere Komplikationen oder die Entwicklung einer chronischen Sinusitis verhindern kann [37]. Bei einer drohenden Komplikation ist jedoch das Krankheits-Risiko wahrscheinlich höher als das von Antibiotika-Nebenwirkungen. Deswegen wird allgemein bei Komplikations-Verdacht eine antibiotische Therapie und eine Überweisung an einen Spezialisten empfohlen.

Der abklärungsbedürftige Fall
Ein Patient leidet seit über 8 Wochen unter einem  Dauerschnupfen mit Verlust des Riech- und Geschmacksvermögens und klagt über dumpfe Kopfschmerzen sowie Hustenanfälle.

Bei dieser Anamnese ist an eine chronische Rhinosinusitis (CRS) mit oder ohne Polypenbildung zu denken. Im Gegensatz zur akuten Rhinosinusitis ist die Lebensqualität der Patienten mit CRS oft dauerhaft deutlich verringert.

In Einzelfällen  insbesondere bei chronisch rezidivierenden Verläufen  können sich darüber hinaus bedrohliche Komplikationen wie z. B. eine Orbital-Phlegmone oder eine fortgeleitete Meningitis entwickeln.
In der Regel ist deswegen eine weitere Abklärung sinnvoll, in erster Linie mit Hilfe von Nasenendoskopie und Computertomographie.

Therapieoptionen der CRS Bei chronischer Rhinosinusitis wird oft eine mehrwöchige antibiotische Therapie mit Staphylokokken-wirksamen Antibiotika (Cefuroxim, Gyrasehemmer, Amoxicillin-Clavulansäure) empfohlen; allerdings liegen bisher keine Studien vor, die eine Effektivität im Sinne einer verbesserten Heilung gegenüber Plazebo belegen könnten.

Bei akut rezidivierenden und chronischen Rhinosinusitiden waren Behandlungen mit Kortikoid-Nasenspray in mehreren Studien effektiv [38, 39, 40].

Der Einsatz von topischen Kortikosteroiden über mehrere Monate bei unbehandelten Nasenpolypen sowie als Behandlungsversuch zur Vermeidung einer Operation sowie zur Rezidivprophylaxe nach einer chirurgischen Therapie (6 Monate bis 1 Jahr) ist ebenfalls zu empfehlen [41].

Die prophylaktische Gabe von Bakterienlysaten konnte in kleineren Studien das erneute Auftreten einer Rhinosinusitis zumindest für den Behandlungszeitraum und sechs Monate danach reduzieren [42, 43, 44, 45].



Ausblick Auf Grund der Studienlage ist es medizinisch (und ökonomisch) sinnvoll, einerseits Ressourcen von HNO-Ärzten vermehrt für die Diagnostik und Therapie der chronischen bzw. akut rezidivierenden Rhinosinusitis zu nutzen und andererseits die Spezialisten von der Behandlung unkomplizierter und unproblematischer akuter Rhinosinusitiden zu entlasten.

Literatur beim Verfasser

Für die Autoren:
Dr. med. Uwe Popert
Arzt für Allgemeinmedizin
Lehrbeauftragter an der Abt.
Allgemeinmedizin der Univ. Göttingen
 
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