"The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490018] :: Di., 09 Mai 2023 19:07
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Nomadd
Beiträge: 3263 Registriert: Mai 2015 Ort: Deutschland
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Zitat:
It is sold as a force that can help us cope with the ravages of capitalism, but with its inward focus, mindful meditation may be the enemy of activism. By Ronald Purser
Quelle: https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2019/jun/14/the-mindfulness-conspiracy-capitalist-spirituality
Der Text ist auf Englisch. Wer kein Englisch versteht, kann den Google Übersetzer oder einen der neuartigen KI Übersetzer verwenden.
Es ist ein langer aber lesenswerter Artikel.
Ganz grob zusammengefasst: Achtsamkeit und achtsames Selbstmitgefühl wurden kapitalisiert und kommerzialisiert. Achtsamkeit und achtsames Selbstmitgefühl sind inzwischen Instrumente des Neoliberalismus um die Arbeitskräfte funktional zu halten und sie sich ihrem Schicksal ergeben zu lassen. Es steht die Individualisierung von Problemen anstelle eines holistischen Ansatzes im Fokus. Im Prinzip besagt das neoliberale Mindfulness Dogma: "Du bist schuld, nicht die Gesellschaft. Achtsamkeit kann dir als Individuum helfen ein effektiverer Karrierist zu werden. Du sollst akzeptieren und erdulden. Du sollst nicht bewerten. Du sollst neutral sein". Es ist eine Übertragung der Probleme von oben nach unten: Den Leuten unten wird gesagt, dass sie sich am Riemen zu reißen haben. Mittels "Achtsamkeit" werden sie sediert und auf Linie gebracht. Geleitete Selbstdisziplinierung.
Geschickte Manipulation und Kontrolle der Massen über ursprünglich fernöstliche Meditationslehren, pervertiert und ans kapitalistische System angepasst. Sozusagen eine Beruhigungspille für die Arbeitsdrohnen, die das System am Laufen halten. Selbstmanagement anstelle von Gesellschaftsmanagement.
How can I control my life when I can't control my hair?
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490051 ist eine Antwort auf Beitrag #490018] :: Do., 11 Mai 2023 16:59
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Knorkell
Beiträge: 6948 Registriert: April 2012
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Da ist natürlich was dran.
Menschen die wir ich meditieren, Yoga machen und sich mit inneren Prozessen befassen, vllt. sogar eine spiritistische Ader haben klinken sich aber häufig mehr und mehr aus der Verwertungslogik aus.
Das hat dann mehr von Aussteigertum als von dem Fitnessmanager der vor seinem Espresso 20 Minuten meditiert und 100 Sit-Ups macht wie Jason Bateman.
Ich habe kürzlich einen anderen Artikel zum Thema Meditation gelesen, welcher sie als kontemplativ verurteilte. Wenn man nur noch um sich selbst kreist ganz sicher sogar. Meditation kann eine Bereicherung sein, wenn das Leben trotzdem unter Menschen, im Freien oder zumindest aktiv stattfindet.
Aber, dass fernöstliche Weisheit mit westlichem Schwachsinn vermengt und komodifiziert wird ist ja nichts Neues. Der Buddhismus bietet wenn man ihn verstümmelt ganz viele Sichtweisen die ganz toll mit dem Kapitalismus anknüpfen können. "Alles Stehende und Ständische verdampft, alles Heilige entweiht..." Sagte schon Marx.
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490100 ist eine Antwort auf Beitrag #490051] :: So., 14 Mai 2023 19:32
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stfn111
Beiträge: 892 Registriert: Februar 2014
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Knorkell schrieb am Thu, 11 May 2023 16:59Da ist natürlich was dran.
Menschen die wir ich meditieren, Yoga machen und sich mit inneren Prozessen befassen, vllt. sogar eine spiritistische Ader haben klinken sich aber häufig mehr und mehr aus der Verwertungslogik aus.
Das hat dann mehr von Aussteigertum als von dem Fitnessmanager der vor seinem Espresso 20 Minuten meditiert und 100 Sit-Ups macht wie Jason Bateman.
Ich habe kürzlich einen anderen Artikel zum Thema Meditation gelesen, welcher sie als kontemplativ verurteilte. Wenn man nur noch um sich selbst kreist ganz sicher sogar. Meditation kann eine Bereicherung sein, wenn das Leben trotzdem unter Menschen, im Freien oder zumindest aktiv stattfindet.
Aber, dass fernöstliche Weisheit mit westlichem Schwachsinn vermengt und komodifiziert wird ist ja nichts Neues. Der Buddhismus bietet wenn man ihn verstümmelt ganz viele Sichtweisen die ganz toll mit dem Kapitalismus anknüpfen können. "Alles Stehende und Ständische verdampft, alles Heilige entweiht..." Sagte schon Marx.
Die aussage "als kontemplativ verurteilen" ist per se mehr als schräg.
[Aktualisiert am: So., 14 Mai 2023 19:33]
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490104 ist eine Antwort auf Beitrag #490100] :: Mo., 15 Mai 2023 00:11
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Nomadd
Beiträge: 3263 Registriert: Mai 2015 Ort: Deutschland
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Ich bin kein Feind der (sozialen) Marktwirtschaft bzw. des Kapitalismus, aber auch mir ist aufgefallen, dass immer mehr Unternehmen Mindfullness-Programme anbieten, wo gelehrt wird neutral zu sein, nicht zu bewerten, Resilienz aufzubauen, Vergleiche zu vermeiden! Was im Endeffekt heißt: Schnauze halten, nicht beschweren, sich nicht mit den Managementgehältern vergleichen, arbeiten bis zum umkippen.
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490128 ist eine Antwort auf Beitrag #490100] :: Di., 16 Mai 2023 20:15
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Knorkell
Beiträge: 6948 Registriert: April 2012
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stfn111 schrieb am Sun, 14 May 2023 19:32Knorkell schrieb am Thu, 11 May 2023 16:59Da ist natürlich was dran.
Menschen die wir ich meditieren, Yoga machen und sich mit inneren Prozessen befassen, vllt. sogar eine spiritistische Ader haben klinken sich aber häufig mehr und mehr aus der Verwertungslogik aus.
Das hat dann mehr von Aussteigertum als von dem Fitnessmanager der vor seinem Espresso 20 Minuten meditiert und 100 Sit-Ups macht wie Jason Bateman.
Ich habe kürzlich einen anderen Artikel zum Thema Meditation gelesen, welcher sie als kontemplativ verurteilte. Wenn man nur noch um sich selbst kreist ganz sicher sogar. Meditation kann eine Bereicherung sein, wenn das Leben trotzdem unter Menschen, im Freien oder zumindest aktiv stattfindet.
Aber, dass fernöstliche Weisheit mit westlichem Schwachsinn vermengt und komodifiziert wird ist ja nichts Neues. Der Buddhismus bietet wenn man ihn verstümmelt ganz viele Sichtweisen die ganz toll mit dem Kapitalismus anknüpfen können. "Alles Stehende und Ständische verdampft, alles Heilige entweiht..." Sagte schon Marx.
Die aussage "als kontemplativ verurteilen" ist per se mehr als schräg.
Im Sinne eines Antagonismus gegenüber dem aktiven Leben, welches als heilsamer Begriffen wurde. Sicherlich ist das auch so. Nur um sich selbst zu kreisen kann nicht glücklich machen, sich selbst nicht wenigstens auf irgendeine Weise zu reflektieren und etwas Innenschau zu betreiben aber auch nicht.
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490129 ist eine Antwort auf Beitrag #490104] :: Di., 16 Mai 2023 20:20
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Knorkell
Beiträge: 6948 Registriert: April 2012
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5HT2 schrieb am Mon, 15 May 2023 00:11Ich bin kein Feind der (sozialen) Marktwirtschaft bzw. des Kapitalismus, aber auch mir ist aufgefallen, dass immer mehr Unternehmen Mindfullness-Programme anbieten, wo gelehrt wird neutral zu sein, nicht zu bewerten, Resilienz aufzubauen, Vergleiche zu vermeiden! Was im Endeffekt heißt: Schnauze halten, nicht beschweren, sich nicht mit den Managementgehältern vergleichen, arbeiten bis zum umkippen.
So sieht´s aus. Mehr zu fordern, anzuprangern, nach mehr Gehalt, mehr Prestige, mehr Glück, einem besseren Leben zu streben und weniger zu dulden ist nicht nur richtig, sondern auch nötig.
Diejenigen welche nichts oder wenig haben, aber mehr wollen/fordern und sich organisieren gelten als habgierig, ganz im Gegenteil zu denen die bereits alles haben. Die hört man nämlich nichts mehr fordern. Ganz besonders nicht diejenigen deren Eltern Vermögen in Form von Immobilien, Aktien, Unternehmen oder verdammten Diamantmienen besaßen und fast steuerfrei vererbt haben. Genau solche nähren dann den Mythos des Self-Made-Man um zu verhindern, dass sich die Habenichtse in irgendeiner Weise organisieren, und genau die schlucken diesen Mist dann auch noch und vergöttern die Musks, Jobs und Trumps dieser Welt.
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490133 ist eine Antwort auf Beitrag #490018] :: Mi., 17 Mai 2023 00:11
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Knorkell
Beiträge: 6948 Registriert: April 2012
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Eigentlich erinnert es nicht daran. Die Notwendigkeit des tätig Werdens stand sowohl bei den Stoikern, als auch bei Nietzsche außer Frage. Und Sartre war ein Linker. Wenn der Eines nicht wollte, dann ruhig gestellte Werktätige.
Bei den Stoikern ging es ja schon darum den Dingen mit Gelassenheit zu begegnen die man nicht ändern kann, und denen die man ändern kann eben auch, aber nicht darum keine Partei für sich zu ergreifen.
[Aktualisiert am: Mi., 17 Mai 2023 00:11]
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490175 ist eine Antwort auf Beitrag #490128] :: Do., 18 Mai 2023 13:23
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stfn111
Beiträge: 892 Registriert: Februar 2014
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Knorkell schrieb am Tue, 16 May 2023 20:15stfn111 schrieb am Sun, 14 May 2023 19:32Knorkell schrieb am Thu, 11 May 2023 16:59Da ist natürlich was dran.
Menschen die wir ich meditieren, Yoga machen und sich mit inneren Prozessen befassen, vllt. sogar eine spiritistische Ader haben klinken sich aber häufig mehr und mehr aus der Verwertungslogik aus.
Das hat dann mehr von Aussteigertum als von dem Fitnessmanager der vor seinem Espresso 20 Minuten meditiert und 100 Sit-Ups macht wie Jason Bateman.
Ich habe kürzlich einen anderen Artikel zum Thema Meditation gelesen, welcher sie als kontemplativ verurteilte. Wenn man nur noch um sich selbst kreist ganz sicher sogar. Meditation kann eine Bereicherung sein, wenn das Leben trotzdem unter Menschen, im Freien oder zumindest aktiv stattfindet.
Aber, dass fernöstliche Weisheit mit westlichem Schwachsinn vermengt und komodifiziert wird ist ja nichts Neues. Der Buddhismus bietet wenn man ihn verstümmelt ganz viele Sichtweisen die ganz toll mit dem Kapitalismus anknüpfen können. "Alles Stehende und Ständische verdampft, alles Heilige entweiht..." Sagte schon Marx.
Die aussage "als kontemplativ verurteilen" ist per se mehr als schräg.
Im Sinne eines Antagonismus gegenüber dem aktiven Leben, welches als heilsamer Begriffen wurde. Sicherlich ist das auch so. Nur um sich selbst zu kreisen kann nicht glücklich machen, sich selbst nicht wenigstens auf irgendeine Weise zu reflektieren und etwas Innenschau zu betreiben aber auch nicht.
Das mit sich selbst beschäftigen ist ja auch ein tun. Ich spreche aber von kontemplation als "nicht-tun" und das ist etwas ganz wesentliches.
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490189 ist eine Antwort auf Beitrag #490018] :: Fr., 19 Mai 2023 14:22
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Knorkell
Beiträge: 6948 Registriert: April 2012
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Nein, die Kontemplation beschäftigt sich mit der Betrachtung. Der Betrachtung des Inneren in spirituellen Zusammenhängen und der Betrachtung des Äußeren in philosophischen, politischen und soziologischen Zusammenhängen. Es bedeutet nicht, nichts zu tun. Es steht aber im Widerspruch zur Vita Activa (Hannah Arendt).
Psychologie ist wichtig, aber die Psychologisierung des Alltags ist ein ganz fieser Trend, der zur Atomisierung der Gesellschaft (Herbert Pietschmann) führt und damit zu einer Entpolitisierung, weil sie die Reziprozität zwischen der Verantwortung des Subjekts und dem massiven Einfluss äußerer Umstände negiert und die Verantwortung vollständig auf das Subjekt verlagert. Das war bis vor einigen Jahrzehnten noch nicht so. Heute fehlt dir einfach das Mindset und um sein Glück kümmert man sich selbst (was ein völlig widersprüchliche Sichtweise ist).
Ist doch viel angenehmer daheim zu bleiben und ein Buch über Resilienz zu lesen anstatt einer Gewerkschaft beizutreten und seine Verhältnisse zu verbessern. Ist doch viel bequemer sich mit Manifestationen den ganzen Tag zu sagen, dass man liebenswert ist anstatt Menschen kennenzulernen und das Risiko der Ablehnung einzugehen um am Ende echte Zuneigung zu erfahren.
Versteht mich nicht falsch. Ich hab ne 8-wöchige tiefenpsychologische Reha und eine 1 1/2-jährige Verhaltenstherapie hinter mir. Letztere war richtig gut weil es nicht um die ständige Innenschau ging, sondern ich Hausaufgaben bekommen habe die immer mit Handeln verbunden waren. Aber nichts ersetzt ein Umfeld, eine Gruppe, eine Gemeinschaft in der wir uns auseinandersetzen, fremde Resonanz für bekommen und etwas zustande bringen können.
Wenn uns die Welt krank macht, dann liegt vermutlich auch der Weg zur Genesung in der Welt.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/kommentar-psychologie-achtsamkeit-therapie-protest-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
[Aktualisiert am: Fr., 19 Mai 2023 14:27]
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Aw: "The mindfulness conspiracy" [Beitrag #490297 ist eine Antwort auf Beitrag #490296] :: Mi., 24 Mai 2023 14:40
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Knorkell
Beiträge: 6948 Registriert: April 2012
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Naja. So ein richtiger knaller ist die Psychoanalyse für Patient:innen im Endergebnis aber auch selten gewesen.
Die Erfolgsquote spricht für Verhaltenstherapie und Systemtherapie und da geht es nie nur um das evaluieren und analysieren innerer Befindlichkeiten. Wer wir sind, wer wir sein können, wie wir unser Verhalten ändern können lernen wir am schnellsten durch das Begreifen der Umstände in denen wir aufgewachsen sind und aktuell leben und der Konfrontation bzw. dem gezielten Einüben neuer Verhaltensmuster.
Mich selbst in den eigenen 4 Wänden davon zu überzeugen, dass ich eine Weltweise machen kann zählt überhaupt nichts wenn ich es nicht mache.
Und natürlich sind die sozialen Rahmenbedingungen absolut entscheidend. Dass wir das in der Popkultur seit 30 Jahren zunehmend weniger so sehen (übrigens nicht im therapeutischen Kontext oder der Sozialberatung) ist das Ergebnis gezielter Kampagnen. Deswegen kommt es mir beim Begriff "Mindset" oder protestantischen Blödsinn wie "Du bist dein Glückes Schmied" auch regelmäßig hoch. Glück findet zwischen Vorbereitung und Zufall statt. Pech kann man trotzdem haben und je schlechter die äußeren Bedingungen sind, desto weniger dürfen Menschen auf Glück hoffen.
Alles das Resultat eines entpolitisierenden, entsolidarisierenden und atomisierenden Zeitgeists.
[Aktualisiert am: Mi., 24 Mai 2023 14:41]
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