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icon1.gif   Haarausfall und Umwelteinflüsse [Beitrag #10306] :: Sa., 30 Dezember 2006 21:07 Zum vorherigen Beitrag gehen
Sorry - hat ein paar Jährchen und benötigte Leseminuten auf dem Buckel...


Haarausfall und Umwelteinflüsse
Deutsches Ärzteblatt 96, Ausgabe 23 vom 11.06.1999, Seite A-1571 / B-1339 / C-1238
MEDIZIN: Die Übersicht

Immer häufiger wird von Patienten die Umwelt als mögliche Ursache für einen Haarverlust angesehen. Ziel der Arbeit ist es, anhand einer kritischen Sichtung der medizinischen Literatur der Frage eines möglichen Zusammenhanges zwischen Umwelteinflüssen und Haarverlusten nachzugehen. Der Beitrag kommt zu dem Ergebnis, daß es keine Hinweise dafür gibt, daß die chemische Belastung der Umwelt zu einem vermehrten Haarverlust führt. Isolierte Analysen der Haare auf Umweltgifte sind deshalb fast immer unbegründet; sie bringen keinen Nutzen, da zumeist exogen beigebrachte Verunreinigungen durch Kosmetika oder Badewasser nachgewiesen werden.
Schlüsselwörter: Haar, Haarverlust, Umwelt, chemische Umweltbelastung


Haare stellen für den Menschen nur noch eine rudimentäre Struktur dar. Für die Säugetierwelt wichtige Funktionen des Haarkleides, wie zum Beispiel Wärmeisolierung oder Schutzfunktion, sind bei den Menschen weitestgehend in den Hintergrund getreten. Dafür überwiegen hier die sozialen Funktionen der Kopf- und Sexualbehaarung. Für den Organismus eigentlich harmlose Störungen des Haarwuchses führen dementsprechend zu einer massiven Veränderung der Selbstwahrnehmung, die psychische Störungen und soziale Isolierung zur Folge haben können.

Das Wort Haarausfall wird häufig von Patienten wie auch von Ärzten mißverständlich sowohl als Beschreibung für den Verlust von Haaren als auch für den Endzustand der sichtbar verminderten Behaarung verwendet. Haarausfall oder Effluvium beschreibt lediglich den aktiven Vorgang des Ausfallens von Haaren, während der daraus resultierende Endzustand als verminderte Haardichte oder Alopezie bezeichnet wird. Da jedoch die Alopezie eine Resultante aus nachwachsenden und bereits ausgefallenen Haaren darstellt, können Patienten auch unter einer Alopezie leiden, ohne daß dem aktuell ein nennenswertes, das normale Maß überschreitendes Effluvium vorangegangen ist.

Haarausfall ist ein häufiges Symptom, das Ärzte oft vor diagnostische und therapeutische Probleme stellt. Die Patienten scheuen meist keine Kosten und Mühen, um ein intaktes Haarkleid wiederherzustellen. Immer häufiger wird insbesondere von den Betroffenen die Umwelt als mögliche Ursache angesehen. Im Gegensatz dazu steht die Tatsache, daß es nur wenige Untersuchungen zur möglichen Rolle von Umweltfaktoren bei Haarausfall gibt. Ziel dieser Übersicht ist es, anhand einer kritischen Sichtung der wenigen Originalarbeiten die Rolle möglicher Umweltfaktoren bei Haarausfall näher zu betrachten.

Physiologie des Haarwachstums
Am Kapillitium besitzt der Mensch zwischen 100 000 und 150 000 Haare mit einer Wachstumsrate von 0,35 bis 0,5 mm täglich (10). Intrauterin findet ein synchronisierter Haarzyklus statt, der bis zum 3. bis 4. Monat post partum andauern kann und in dessen Verlauf die Körperbehaarung zweimal vollständig abgestoßen wird. Anschließend erfolgt das Haarwachstum in einem asynchronen Haarzyklus (18). Klinisch kann sich der letzte synchrone Haarverlust und der Übergang in den asynchronen Haarzyklus in einem flächigen, unscharf begrenzten minderbehaarten Areal okzipital darstellen, das als die physiologische okzipitale Alopezie oder "Scheuerglatze" des Neugeborenen bezeichnet wird (19, 20, 22).
Der Haarzyklus besteht aus drei Phasen. Zunächst durchläuft das Haar die Anagenphase. Diese dauert zwei bis acht Jahre und stellt die Wachstumsphase dar. Nach dieser Zeit geht das Haar in die Katagen- oder Übergangsphase über, die lediglich wenige Wochen andauert. Jetzt beginnt die Telogen- oder Ruhephase. Diese endet nach zwei bis vier Monaten und führt zum Verlust des Haares. Gleichzeitig tritt der Haarfollikel erneut in die Anagenphase ein.
Auf der Kopfhaut befinden sich 80 bis 90 Prozent der Haarfollikel in der Anagenphase, 0 bis 3 Prozent in der Katagenphase und 10 bis 20 Prozent in der Telogenphase. Täglich findet ein physiologischer Haarverlust von durchschnittlich 70 bis 150 Haaren statt. Bei extremer Beanspruchung der Behaarung, wie zum Beispiel nach einer Kopfwäsche oder einem Friseurbesuch, können bis zu 300 Haare verloren gehen (18) Exclamation Exclamation Exclamation .

Zusätzlich unterliegen die Haare einem Jahresrhythmus. Randall und Ebling konnten zeigen, daß die Anagenrate im März über 90 Prozent liegt. Diese nimmt im Verlauf des Jahres langsam ab und erreicht ihren Tiefstand im August und September. Dieses hat dann einen vermehrten Haarverlust zur Folge (23).

Diffuses Effluvium durch Umweltschadstoffe
Pathogenese
Ein durch Umweltschadstoffe ausgelöster Haarverlust wird sich in der Regel als diffuses Effluvium äußern. Je nach Intensität und Dauer der einwirkenden Noxe kommt es lediglich zu einer Unterbrechung der Anagenphase oder zu einer Unterbrechung jeglicher proliferativer Aktivität am Haarfollikel, so daß keine der drei Haarzyklusphasen mehr durchlaufen wird. Wird lediglich die Anagenphase unterbrochen, so resultiert ein diffuses Effluvium von Spättyp, das nach Beendigung der Katagen- und Telogenphase zirka drei bis sechs Monate nach der Schädigung einsetzt. Im Trichogramm fällt sowohl frontal als auch okzipital eine Erhöhung der Telogenrate ohne eine Zunahme der dystrophen Haare auf (37). Dieses telogene Effluvium kann durch die Geburt eines Kindes, hohes Fieber, Hämorrhagie, Erkrankung innerer Organe, vor allem der Leber, der Schilddrüse und anderer endokriner Organe, schwere konsumierende Erkrankungen, plötzlichen Nahrungsmangel oder restriktive Diäten, Unfall oder Operationstrauma, schweren emotionalen Streß und verschiedene Medikamente induziert werden (10, 16).
Werden alle drei Haarzyklusphasen gleichzeitig unterbrochen, so setzt der diffuse Haarverlust wenige Tage oder wenige Wochen nach Einwirkung der Noxe ein. Dabei nimmt die Zahl der dystrophen Haare im Trichogramm deutlich zu, bei gleichbleibender oder nur mäßig erhöhter Telogenrate. Es handelt sich hier somit um ein Effluvium vom Früh- oder dystrophischen Typ (37). Diese Form des Effluviums wird vor allem durch antimitotische Substanzen, wie zum Beispiel Zytostatika hervorgerufen (8, 10).
Zwischen diesen beiden dargestellten Extremformen des diffusen Effluviums gibt es jedoch je nach Intensität und Dauer der Schädigung Zwischenformen, die mit einer gleichzeitigen Vermehrung der Telogenrate und der dystrophischen Haare einhergehen können. Dieses ist bedingt durch eine unterschiedliche Empfindlichkeit der einzelnen Haarfollikel auf die verschiedenen Noxen.
Da die Reaktionsmöglichkeiten des Haarfollikels auf die unterschiedlichen Noxen nur unspezifisch sind, erlauben die im Trichogramm nachgewiesenen pathologischen Wurzelmuster lediglich Rückschlüsse auf die Intensität und möglicherweise auch auf die Dauer, jedoch nicht auf die Art der Noxe. Weiter bestehen intraindividuelle Unterschiede in der Haarfollikelempfindlichkeit auf die schädigenden Substanzen, so daß verschiedene Trichogrammuster entstehen könnnen. Daher stellt eine genaue Anamnese, die auch den Zeitraum von vier bis sechs Monaten vor dem Effluvium erfassen muß, die einzige Möglichkeit dar, auf die schädigende Noxe zu schließen.

Mögliche exogene Ursachen und Umweltfaktoren
Nutritiv bedingte Effluvien
Der Anagenfollikel mit einer hohen proliferativen und metabolischen Aktivität reagiert sensibel auf die Reduktion des Angebotes von für die Keratinsynthese notwendigen Proteinen, essentiellen Fettsäuren und Spurenelementen. Daher muß in diesem Zusammenhang nicht nur an eine Malabsorption oder Malnutrition wie Anorexia nervosa oder Bulimie gedacht werden, sondern auch an restriktive, gewollte Diäten, die 1 000 kcal/Tag unterschreiten (2, 7, 9, 10, 14). In unserer Klinik stellte sich eine erwachsene Patientin mit einem diffusen Effluvium vor, die seit einigen Wochen eine Diät mit einer täglichen Nahrungsaufnahme von 800 kcal durchführte (Abbildung 1). Nach der Erhöhung der täglichen Kalorienzufuhr auf 1 200 kcal kam es zu einer langsamen Befundbesserung. Bei einer weiteren Patientin trat Monate nach Beginn einer strengen Diät mit 300 kcal/Tag ein telogenes Effluvium auf. Der Haarbefund normalisierte sich etwa drei Monate nach Beendigung der Diät.
Eisen, Zink und Kupfer stellen wesentliche Spurenelemente für das Wachstum und die Struktur des Haares dar. Ein Mangel dieser Substanzen führt ebenfalls zu einem diffusen Effluvium. Ein typisches klinisches Beispiel für die Bedeutung einer ausreichenden Zinkzufuhr ist die Akrodermatitis enteropathica, bei der es neben Diarrhöen, Apathien und Wachstumsstörungen zu ekzematösen Hautveränderungen an den Akren und perioral, Nageldystrophien, brüchigem Haar und Alopezien kommen kann. Diese Erkrankung wird typischerweise nach dem Abstillen von Säuglingen manifest (34). Ursache ist eine autosomal-rezessiv vererbte Aufnahmestörung für Zink aus der Nahrung, die zu Zinkmangel führt. Die Akrodermatitis enteropathica läßt sich durch hohe orale Zinkgaben erfolgreich behandeln (33).

Bei Frauen stellt insbesondere der Eisenmangel eine häufige Ursache für einen diffusen Haarverlust dar. Dabei gibt der Ferritin-Spiegel im Serum Auskunft über die Körpereisenvorräte. Ferritin-Werte unter 40 ng/ml sind von einem telogenen Effluvium begleitet (27, 28, 29). Aber auch bei Ferritin-Konzentrationen von 40 bis 70 ng/ml sind deutliche diffuse Haarverluste beobachtet worden. Erst bei einem Serum-Ferritin über 70 ng/ml stellt sich eine Normalisierung des Haarwachstums ein (27). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß Ferritin-Werte unter 70 ng/ml aus allgemeinmedizinischer Sicht im unteren Normalbereich liegen, während diese Spiegel für ein volles Haarwachstum nicht ausreichend sind.

Ein diffuses Effluvium kann auch durch einen Biotinmangel hervorgerufen werden (15). Patienten, die wegen Nageldefekten mit Biotin behandelt wurden, berichteten über eine Verbesserung der Haarqualität beziehungsweise über einen verminderten Haarverlust (3). In einer von Floersheim durchgeführten Studie mit 80 Patienten konnte der diffuse Haarausfall durch eine Biotintherapie bei 64 Prozent der Patienten deutlich gebessert werden. Bei 9 Prozent trat eine leichte und bei 27 Prozent keine Befundbesserung ein (4).

Diffuses Effluvium durch chemische Noxen
Akute oder subakute toxische Alopezien werden meist durch die Schwermetalle Thallium, Kadmium und Quecksilber ausgelöst. In Abhängigkeit von der aufgenommenen Dosis und der Einwirkdauer entwickelt sich entweder eine Alopezie vom Frühtyp oder eine Alopezie vom Spättyp. ....
Thallium wird heute nur noch selten als Nagergift und gegen andere Schädlinge wie Ameisen und Schaben verwendet. Bei Versuchen zur Chemotherapie der Syphilis fiel auf, daß Thallium regelmäßig Haarausfall erzeugt. Daher ist es fast drei Jahrzehnte als Epilationsmittel verwendet worden. Heute wird Thallium in der Medizin nicht mehr verwendet. Jedoch kommen vereinzelt noch Vergiftungsfälle durch Kontamination von Nahrungsmitteln oder durch bewußte Einnahme von Thallium in suizidaler Absicht vor (24, 26). Der Haarverlust erfolgt bei akuten Intoxikationen etwa ab dem 13. Tag, jedoch nie früher (6). Der Haarausfall ist bei ThalliumIntoxikationen ein höchst wichtiges Kriterium, da er bei kleineren Dosen als alleiniges Symptom auftreten kann. Typischerweise beginnt er bei den lateralen Augenbrauen (11, 12). Bei unklaren Fällen diffuser Alopezie sollte nach Ausschluß der naheliegenden Ursachen an eine Thalliumvergiftung gedacht werden, vor allem wenn die Alopezie von neurologischen Symptomen begleitet wird (36).
Kadmium wird zur Legierung von Metallen verwendet und ist in einigen Farbstoffen und Trockenbatterien enthalten. Zu bedrohlichen Intoxikationen kann die Inhalation von Kadmiumoxid-Rauch führen, der beim Schmelzen von Kadmium oder beim Schweißen und Schneidbrennen von kadmiumhaltigen Legierungen entsteht (6). Dabei stellt das diffuse Effluvium lediglich eines von vielen Intoxikationssymptomen dar.

Quecksilber kann ebenfalls zu diffusen Effluvien führen. Auch heute können noch vereinzelt Quecksilbervergiftungen durch Exposition im beruflichen und im häuslichen Umfeld, gelegentlich auch durch die Anwendung obsoleter Medizinalprodukte (Merfen, Glyceromerfen, Bleichsalben) vorkommen. Die aus dem Quecksilberamalgam der Zahnfüllungen freigesetzten Quecksilbermengen reichen jedoch nicht aus, um Haarausfall herbeizuführen. Somit können Amalgamzahnfüllungen nicht für ein diffuses Effluvium verantwortlich gemacht werden. Daher ist die routinemäßige Durchführung von Quecksilberbestimmungen in Blut, Urin sowie im Haar bei der ätiopathogenetischen Abklärung des diffusen Effluviums beziehungsweise die prophylaktische Entfernung von Amalgamfüllungen bei Vorhandensein eines chronisch diffusen Effluviums medizinisch nicht begründet (5, 30, 38).

Arsen wurde in früheren Jahren zur Therapie der Psoriasis und der Syphilis verwendet. Zusätzlich war es über viele Jahre Bestandteil von Pflanzenschutzmitteln. In Deutschland wurde die Verwendung von Arsen in Pflanzenschutzmitteln verboten, jedoch wird es in südlichen Ländern noch immer verwendet. Arsen wird unter anderem durch die Haut rasch resorbiert. Es wird vor allem im Keratin der Haut eingelagert und zum Teil mit den Schuppen und Haaren abgestoßen. Vergiftungsepisoden lassen sich in Haar- und Fingernagelanalysen gut nachweisen. Chronische Arsenvergiftungen zeichnen sich daher unter anderem durch Hyperkeratosen der Haut und Haarausfall aus (6). Als Umweltnoxe spielt Arsen heute in Deutschland keine Rolle mehr.

Chloropren-Dimere kommen als Nebenprodukte in der synthetischen Gummifabrikation vor und bewirken diffuse reversible Alopezien (17, 21, 25). Als Verursacher diffuser Effluvien kommen Chloropren-Dimere heute allenfalls bei beruflicher Exposition in Frage.
Eine Exposition mit Borsäure wird selten in die differentialdiagnostischen Überlegungen miteinbezogen. Borate können bei exzessivem Gebrauch von borsäurehaltigen Präparaten zur Mundspülung (31) oder bei beruflicher Exposition mit Natriumborat versehentlich eingenommen werden (32). Daraus entwickelt sich eine diffuse Alopezie, die langsam beginnt.

Bevor ein kausaler Zusammenhang zwischen Haarausfall und der Wirkung kleiner Dosen einer bestimmten Substanz hergestellt wird, sollte unserer Meinung nach ein Haarneuwachstum nach Unterbrechung der Exposition und ein erneuter Haarausfall bei Reexposition beobachtet werden.

Ein schwieriges Problem in der Umweltmedizin stellt die Frage nach Haarausfall bei einer Schadstoffwirkung in kleiner Dosis über einen langen Zeitraum dar. Ein Beispiel dafür ist die chronische Pentachlorphenolbelastung in Räumen, in denen Holz verarbeitet wurde, das mit Pentachlorphenol (PCP) behandelt wurde. Ein Effluvium gehört nach bisherigem Wissensstand nicht zu den typischen Symptomen einer chronischen Pentachlorphenolbelastung. Andererseits muß festgestellt werden, daß nur wenige Untersuchungen beziehungsweise epidemiologische Erhebungen zur Rolle von chronisch einwirkenden Schadstoffen und Haarausfall vorliegen.
Eine Ausnahme stellt der Chemieunfall in Frankfurt-Schwanheim im Februar 1993 dar, bei dem es aufgrund des Niederschlages einer chemischen Wolke zu einer erheblichen Kontamination des Bodens und damit zu einer längerfristigen Exposition der Bevölkerung in der Umgebung des Schadensortes gekommen ist. Im Niederschlag fanden sich eine Vielzahl von chlorierten und Azo-Verbindungen sowie als Leitsubstanz eine 100fach erhöhte Konzentration von o-Nitroanisol, das im Körper zu Nitrophenol metabolisiert wird. Dieser Metabolit konnte bei 22 stark belasteten Personen noch nach drei bis fünf Monaten in erhöhter Konzentration im Urin nachgewiesen werden. Unmittelbar nach dem Unfallereignis klagten viele Anwohner zwar über Hautausschläge an den Händen und Füßen, nicht aber über Haarausfall. Bei einer Untersuchung zirka eineinhalb bis zwei Jahre nach dem Ereignis von über 400 Kindern aus diesem Bereich zeigte sich ebenfalls kein vermehrtes Effluvium, während das Risiko für die Entwicklung einer atopischen Dermatitis gegenüber einer Kontrollgruppe aus Südhessen signifikant angestiegen ist (35).

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß nur wenige Studien vorliegen, bei denen der mögliche Effekt von Umweltnoxen zum Beispiel nach konkreten Unfallereignissen in bezug auf das Haarwachstum untersucht wurden. Gerade angesichts dieser dürftigen Datenlage können spekulativ alle möglichen Behauptungen generiert werden. Um so wichtiger ist es, daß nicht Anekdotisches, sondern reproduzierbar Belegtes, pathogenetisch Plausibles den Boden formt, auf dem die Medizin sich im Sinne einer "evidence based medicine" bewegt.

Diffuses Effluvium durch physikalische Faktoren
Im Rahmen von Strahlentherapien oder durch Strahlenunfälle in der Rüstungsindustrie oder in Kernkraftwerken kann es zu diffusen Alopezien durch ionisierende Strahlungen kommen. Ab einer Dosis von etwa 3,8 Gy stellt sich drei Wochen nach der Bestrahlung ein diffuser, meist anagen-dystropher Haarverlust ein. Zu einem Wiederwachstum kommt es nach zirka vier bis zwölf Wochen. Bei Strahlendosen von mehr als 8 Gy kann es zu einem dauernden Verlust der Haare kommen. Hierbei kommt es zu einer vollständigen Zerstörung der Haarmatrix.

Differentialdiagnose zu umweltbedingtem Haarverlust
Betrachtet man die umweltbedingten Haarverluste, so resultieren daraus in erster Linie nicht vernarbende diffuse Alopezien. Daher müssen in die differentialdiagnostischen Überlegungen zum umweltbedingten Haarverlust alle Formen von nicht vernarbenden diffusen Effluvien einbezogen werden.

Die Ursachen für ein diffuses Effluvium sind vielfältig. Mögliche Auslöser können Mangelernährung, hormonelle Störungen, Schilddrüsenstörungen, Störungen im Eisenstoffwechsel sowie schwere Erkrankungen wie zum Beispiel hochfieberhafte Infekte oder Tumorerkrankungen sein. Weiter können gängige Medikamente wie Antikoagulantien, b-Blocker, Lipidsenker, Retinoide, Thyreostatika und orale Kontrazeptiva mit androgener Partialwirkung eine diffuse Alopezie auslösen (8, 10). Aufgrund der intraindividuell unterschiedlichen Haarfollikelempfindlichkeit auf die schädigenden Substanzen läßt sich bei den Medikamenten keine genaue Dosis festlegen, ab der ein diffuses Effluvium beginnt.
Zusätzlich können sich Haarerkrankungen wie die androgenetische Alopezie (Abbildung 2), die Alopecia areata, der anagene Haarausfall des Kindesalters oder die Trichotillomanie in einer diffusen Alopezie äußern. Diese kann auch durch entzündliche Veränderungen der Kopfhaut, wie zum Beispiel einer Psoriasis oder einem atopische Ekzem, hervorgerufen werden. Häufig ist auch ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren für ein diffuses Effluvium verantwortlich.

Identifikation von Haarausfall auslösenden Umweltfaktoren
Will man versuchen, mögliche Umweltfaktoren als Auslöser für den Haarverlust zu identifizieren, so muß das Effluvium zunächst so genau wie möglich eingeordnet werden (vernarbende oder nicht vernarbende Alopezie, Alopecia areata oder diffuse Alopezie, anagenes, telogenes oder gemischtes beziehungsweise nicht klassifizierbares Effluvium). Dafür wird oftmals der Rat eines Dermatologen erforderlich sein. Die sehr sorgfältig zu erhebende Anamnese sollte das gesamte zurückliegende Jahr abdecken. Manchmal gelingt es so, den möglichen Einwirkzeitpunkt einer potentiellen Noxe abzuschätzen.
Bei erkennbaren Ursachen oder Zuordnung zu bekanntermaßen nicht umweltbedingtem Effluvium erübrigt sich jegliche Suche nach etwaigen Schadstoffen. Dies gilt für alle Formen der Alopecia areata, für die vernarbenden Alopezien, das androgenetische sowie das postpartale Effluvium und die Folge von Trichotillomanie. Bei einem Effluvium oder einer Alopezie ohne jegliche faßbare Hinweise auf eine mögliche Ursache, kann ein "kleines Laborprogramm", das eine Blutsenkung, ein Blutbild sowie Eisen und Ferritin im Serum beinhaltet, als grobes Screening durchgeführt werden.

Bei einem gravierenden Haarausfall wird man die Laboruntersuchungen vorwiegend nach eventuell weiteren vorhandenen Zeichen und Symptomen auswählen. Geschieht das "blind und breit" so müßte zusätzlich zu dem bereits erwähnten "kleinen Laborprogramm" eine Kontrolle der Leber-, Nieren-, Schilddrüsenwerte und der Eiweißelektrophorese erfolgen. Besteht der Verdacht auf eine Vergiftung, so sollte in erster Linie Quecksilber (Urin), Blei (EDTA-Blut), Kadmium (Urin oder EDTA-Blut) und Thallium (EDTA-Blut) laborchemisch untersucht werden. Bei einem Effluvium durch einen möglichen Ernährungs- oder Aufnahmemangel sollten Eisen, Ferritin, Kupfer und Zink näher betrachtet werden (Tabelle). Sollte der begründete Verdacht auf hormonelle Störungen bestehen, so müssen Prolaktin, DHEAS, Testosteron, SHBG, LH und FSH im Serum untersucht werden.

Darüber hinausgehende "Umweltuntersuchungen", die ihren ersten Ansatzpunkt im Erstellen von Laboranalysen haben, sind unsinnig und sollten von Ärzten nicht veranlaßt und von den Kostenträgern nicht erstattet werden. Dieses trifft insbesondere für sogenannte Haaranalysen zu, da selbst hohe Konzentrationen an Kadmium, Kupfer oder anderen Schwermetallen in den Haaren nicht zwangsläufig auf eine Intoxikation schließen lassen. Hier müssen zunächst exogene Verunreinigungen, wie zum Beispiel durch Haarpflegeprodukte oder Schwimmbadwasser, sicher ausgeschlossen werden, bevor aufgrund der Haaranalyse der Verdacht auf eine Intoxikation geäußert werden kann. So konnte zum Beispiel durch eine Atomemissionsspektroskopie ein erhöhter Kupferspiegel in Haaren nachgewiesen werden, das exogen aus dem Schwimmbadwasser durch regelmäßiges Schwimmen aufgenommen wurde (1). Somit hat die isolierte Haaranalyse auf Umweltgifte meistens keinen verwertbaren Aussagewert und ruft lediglich unbegründete Ängste bei den Patienten hervor.

(Quelle: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&am p;id=17686)


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