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Vom Umgang mit AA (neue Fassung) [Beitrag #7591] :: So., 10 April 2011 00:37 Zum vorherigen Beitrag gehen
Vom Umgang mit Alopecia Areata (AA).

Meine Beobachtungen stützen sich sowohl auf eigene als auch Erfahrungen anderer, mit denen ich mich seit inzwischen 10 Jahren austausche. In der Regel wachsen die ‚kreisrunden' Flächen ohne Behandlung binnen weniger Monate zu. Schwierig wird der Umgang, wenn der Verlauf Eingriffe in das persönliche Selbstbildnis nimmt. Das ist der Fall, wenn in relativ kurzer Zeit ein Haarausfall der Größenordnung eintritt, der Betroffenen keine wirkliche Chance einräumt, sich mit der äußeren Veränderung, die auch dem sozialen Umfeld nicht verborgen bleibt, zu identifizieren.

Ist man von der AA betroffen, wird man sicher dieses und jenes Rezept ausprobieren. Man sollte sich jedoch mangels geeigneter Standardtherapien keinen übertriebenen Hoffnungen hingeben. Grundsätzlich muß man sich über eine Tatsache im Klaren sein: wenn die Haarfollikel erst einmal entzündet sind, fallen die Haare aus. An Neuwuchs ist erst zu denken, wenn die Entzündungen abgeklungen ist. Somit ist es sinnlos, sich dagegen zu wehren oder zu unternehmen. Auch wenn es nicht leicht ist, sich von Woche zu Woche an ein neues Spiegelbild zu gewöhnen, bedeutet es letztendlich psychische Kraftverschwendung. Je größer der innere Widerstand wird, desto geringer dürfte die Wahrscheinlichkeit sein, daß die Entzündungsherde zurückweichen. Es belastet zusätzlich und nimmt der psychischen Leistungsfähigkeit, die in einer solchen Situation schon ziemlich beeinträchtigt ist, die Kraft und Energie, sich wieder auf die wesentlichen Dinge des Alltages zu konzentrieren. Die Devise kann nur lauten: Loslassen im wahrsten Sinne des Wortes. Derb ausgedrückt: Die Scheißegalhaltung.

Man sollte somit versuchen, nachdem die schwierige Phase des Erkennen des zunächst einmal Unabänderlichen vorüber ist, damit beginnen, sich mit sich selbst zu befassen, sich auch zu fragen, was an Haaren eigentlich so wichtig ist. Was hängt davon ab? Wem sind sie überhaupt wichtig? Was soll man von Leuten halten, die einem tatsächlich danach beurteilen? Wie verhält man sich selbst noch dazu? Andererseits wird man von anderen nun auch anders betrachtet, und nach meinen Erfahrungen alles andere als negativ. Zeitgenossen, die mit Andersartigkeit ein Problem haben, dokumentieren damit lediglich, über wie wenig Selbstbewußtsein sie verfügen bzw. ‚ihr' Selbstbewußtsein von der Willkür anderer abhängt. Das gilt insbesondere für die Definition über dem Beruf oder über Männer respektive Frauen. Die beste Therapie ist die der Selbstakzeptanz und der Weg hin zum ganzheitlichen Menschen. Wer sich vom Äußerlichen leiten und bestimmen läßt, läßt andere über sich bestimmen und wird kaum zu einem wirklichen Selbstbewußtsein erlangen.

Für mich gab es natürlich auch die Phase der Probiererei, solange es noch etwas zu retten oder auf natürliche Weise zu kaschieren gab. Irgendwann war es einfach nur hoffnungslos und mir damit einfach zu dumm. Zeit hatte ich dafür kaum und das Geld war es mir auch nicht wert. Mir wurde es dann auch nur noch egal und stellte mich innerlich auf das Worst-Case-Scenario ein (damit das Einstellen der Scheißegalhaltung). Ich besann mich auf die Meditation (‚Nichtdenken') und Atem-therapie (QiGong-Meditation; äther. Öle mit Duftlampe). Damit fielen der Druck und die Anspannung zugunsten einer spürbaren Entlastung und Besserung des Wohlbefindens. Ich fühlte mich im wahrsten Sinne des Wortes im und auf dem Kopf (in meinem Falle war es nicht so kraß, hatte die Sonderform einer Ophiasis ('Skalplocke') frei und ich konnte mich wieder auf das wirklich Wichtige im Leben besinnen. Hilfreich ist auch das Befassen mit ostasiatischen Philisophien wie dem Tao, Zen oder dem Buddhismus.

Auch wenn es schwierig und anfangs sehr belastend ist, ist es der langfristig bessere Weg, gar nicht erst zu versuchen, irgendetwas zu verbergen. Den neugierigen Blicken kann man sich nicht entziehen. Uns dürfte es im umgekehrtem Falle nicht wesentlich anders ergehen. An das gelegentliche Anstarren gewöhnt man sich, anfangs hilft die schlichte Ignorierung, zumal man es als unangehm empfinden dürfte. Im Laufe der Zeit sollte man sich ruhig die Mühe machen, genau darauf zu achten, wer denn eigentlich genau hinschaut. Dann dürfte man zu einer erstaunlichen und dennoch gar nicht so ungewöhnlichen Erkenntnis gelangen: es handelt sich in den meisten Fällen um wirklich bemitleidens-werte Zeitgenossen, denen man ihr seltenes Glücksgefühl, jemanden begegnet zu sein, dem es dem Anschein nach noch schlechter gehen mag, ungern verleiden mag. Wer ganz ‚fies' ist, lächelt und kann sich im Stillen über ihren irritiert-dämlichen Gesichtsausdruck amüsieren. Man beginnt allmählich, sich in seiner Sonderrolle des außergewöhnlichen Individuums wohlzufühlen. Man ist dann kein unbedeutender Krümel im Universum, sondern mutiert zum Botschafter aus einer anderen Galaxie mit einer Geisteshaltung und einem Bewußtsein, welches über alles Gewöhnliche erhaben ist. Vermitteln muß man diese nicht, sofern dieses überhaupt vermittelbar ist.
Wenn man offen mit der AA umgehen kann, erlebt man in der Regel vielmehr Positives: statt rätselnder verstohlener Blicke ein Staunen, Lächeln, heimliche oder offene Bewunderung, auch interessierte Fragen. Man kann somit auch am leichtesten selbst zur Aufklärung beitragen und kann sogar beim einem oder anderen ein Umorientierung seines Wertesystems erreichen. Alles dieses erleichtert dem Umgang mit der AA.

Der Preis dafür: die Überwindung. Der Lohn: die Erlangung einer Unabhängigkeit von Leuten, die einem eigentlich nie wirklich interessierten, sondern sie lediglich, und sei es nur unterbewußt, zum Zwecke der Bestätigung persönlichen Eitelkeit ‚mißbrauchten'. Sicher ist das eine angenehme Begleiterscheinung, nur sollte sie nicht der wesentliche Teil der Egobefriedigung darstellen.

Es kommt ganz wesentlich darauf an, wie der Betroffene selbst damit umzugehen imstande ist. Genau darin besteht die eigentliche Arbeit, nämlich die an sich und mit sich selbst. Sicher kann man auf diverse kosmetische Hilfsmittel zurückgreifen und wird es im Bedarfsfalle auch tun. Was im Beruflichen nicht immer unumgänglich sein mag, halte ich im Privaten für gefährlich. Es verhindert eine natürliche Selbstannahme, die absolute Integration in die persönliche Identität. Im täglichen Leben fällt auf, wie wenig Leute mit einer Perücke wirklich umgehen können. Es sind eben genau jene, die erst gar nicht dem Versuch unternommen haben dürften, die veränderten Bedingungen auch nur zu akzeptieren. Sie werden von der stetigen Sorge des Entdecktwerdens umtrieben. Kaum eine Situation dürfte peinlicher und belastender sein als eine solche. Der damit verbundene Schaden womöglich verheerend.

Nehmt Euch an, nehmt die Zeit dafür, die ihr für eine bewußte Verinnerlichung benötigt. Ein vorübergehender Rückzug ist hier sehr hilfreich. Nämlich durch die ausschließliche Umgebung mit sich selbst und die Bewußtseinswerdung der eigenen Werte kann sich ein erhöhtes Ausstrahlungsvermögen und eine Unabhängigkeit gegenüber Äußerlichkeiten einstellen. Dieses geschieht allein durch die Art, wie man selbst damit umzugeht.

Die AA ist somit vielmehr eine echte Chance, das Leben bewußter zu leben, einen inneren Reifungsprozeß zu durchleben und sollte den Umgang mit künftigen Ausnahmesituationen erleichtern. Sie gibt die Möglichkeit einer Weiterentwicklung, die Vorzüge einer individualistischen Einstellung ausleben zu können, da man von der Öffentlichkeit als jemand betrachtet wird, für dem ohnehin ganz eigene Maßstäbe zu gelten scheinen und somit kein ernstzunehmender Konkurrent darstellt. Auch wenn es sich zunächst befremdend anhören mag: Ich habe in den letzten Jahren genügend Betroffene kennengelernt, die der AA dankbar sind, sie zu ganz neuen Sichtweisen und somit zur Erlangung eines besonderen Bewußtseins geführt haben.

Über die soziale Funktion von Haaren lasse ich mich an dieser Stelle nicht aus. Dieses Thema wird oft genug behandelt, überbewertet, fehlinterpretiert, für Werbe- und Konsumzwecke mißbraucht. Nichts ist für die Konsumwirtschaft schädlicher als ein selbstständig denkender sich seinen tatsächlichen Bedürfnissen bewußter Konsument, der sich nicht einreden läßt, was für ihn gut oder schlecht sei.

Es geht hier keineswegs darum, hier die Vorzüge einer AA anzupreisen oder gar die Betroffenen zu verherrlichen, sondern schlicht um die Wahl zwischen zwei Alternativen: sich umbringen oder ein ganz besonderes Lebensgefühl entwickeln zu können.

[Aktualisiert am: So., 10 April 2011 01:17]




Liebe Grüße
Dogbert

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3 wichtige Regeln
Auch wenn der Haarverlust nervt - Es gibt so viele schöne Dinge im Leben und viel schlimmere Sachen.


Die Wissenschaft und Medizin kann das Problem heute in den meisten Fällen NICHT wirklich lösen. Aufgeben gibt es nicht, denn ein bischen Glück gehört dazu - und die Chance auf eine Heilung wächst jeden Tag. Never give up.


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