Startseite » Alopecia Areata » Alopecia Areata » AA totalis - und jetzt wieder Haarwuchs!
Anzeigen: Heutige Beiträge :: Umfragen :: Beitragsnavigator
Zur Baumansicht dieses Themas wechseln Ein neues Thema erstellen Antwort abschicken
AA totalis - und jetzt wieder Haarwuchs! [Beitrag #11667] :: Di., 18 September 2012 18:17 Zum nächsten Beitrag gehen
Hallo zusammen! Smile

Ich habe - wie viele der Nutzer hier - monatelang nur in eurem Forum mitgelesen. Ich (w/23) habe im November 2011 erste kahle Stellen an meinem Kopf entdeckt, die sich schnell ausgebreitet haben. Im Maerz 2012 sind mir alle Haare komplett ausgefallen. Das Wachstum von Bein-, Achsel- und Intimbehaarung hat sich extrem verlangsamt. Auch Augenbrauen sind sehr duenn und hell geworden.

Wie ihr alle habe ich unzaehlige Arztbesuche hinter mir:
Beim Allgemeinarzt - sind die Blutwerte und der allgemeine Gesundheitszustand ok?
Beim Frauenarzt - koennte es an hormoneller Verhuetung liegen?
Beim Hautarzt - welche medikamentoese Behandlung kommt bei AA in Frage?

Alle Arztbesuche bestaetigten mir, dass mein koerperlicher Zustand vollkommen in Ordnung war. Ich hatte keine ernaehrungsbedingten Mangelerscheinungen, Hormonwerte waren ok, usw. In der Uniklinik Dresden wurde ich zusaetzlich zum Hautarzt sehr umfangreich beraten, was den Krankheitsverlauf und das allgemeine Verstaendnis der Krankheit betrifft. Allerdings habe ich meine Medikamenteneinnahme nicht veraendert. (Dithranol und eine cortisonhaltige Loesung). Mein Hautarzt hat mir jedoch gleich beim ersten Termin zum Aufsuchen eines Pyschotherapeuten geraten, um mit der veraenderten Situation klar zu kommen.

Psychotherapien gehen entweder verhaltenstherapeutisch oder tiefenanalytisch vor. Ich stand damals vor der Frage, ob es ausreicht, wenn ich nur meine Einstellung zu meinem Problem aendere oder den Ursachen dafuer auf den Grund gehe. Ich habe mich daher fuer eine tiefenanalytische Therapie entschieden - und seitdem wachsen meine Haare wieder!
Meine Therapeutin haelt mir immer wieder Haar-Metaphern vor Augen. Ich war durch Stress und andere aeußere Faktoren permanent ueberfordert, sodass mir einfach die Kraft verloren gegangen war. Die Kraft, die eigentlich bis in die Haarwurzeln vorhanden sein muss. Sie verglich mich mit einem Baum, der bei einem Windstoß umgeweht wuerde, weil er keine starken (Haar-)Wurzeln hat. Sie sagte, dass ich staendig "Federn lassen" musste bei den Anspruechen, die meine Umwelt an mich stellt. Und dass sich die Psyche einen Weg sucht fuer die Probleme, die wir versuchen zu verdraengen. In meinem Fall habe ich seit meiner Jugend schon einige psychosomatische Beschwerden (unerklaerliche Kopf- und Magenschmerzen) und denke heute, dass mein Koerper mir seit mehreren Jahren versucht mitzuteilen, dass etwas nicht stimmt und ich etwas daran aendern muss.

Ich besuche die Therapie nach wie vor. Außerdem habe ich vor allem meine Ernaehrung umgestellt. Ich habe zwar vorher schon sehr gesund gelebt, aber im Moment achte ich sehr auf alle wichtigen Bestandteile die fuer den Haarwuchs relevant sind, damit ich den Haaren die besten Startbedingungen mitgebe. Ich persoenlich finde Zink, Biotin, pflanzliches Eiweiß, Vitamin D und Vitamin B besonders wichtig. Zumindest habe ich den Eindruck, dass die Versorgung mit diesen Stoffen meinem Haarwachstum sehr zutraeglich ist.

Ich habe jetzt fast am ganzen Kopf wieder Haare (mitunter schon 5cm lang). Es fing, wie vom Professor in der Uniklinik beschrieben, mit feinen Wellushaaren an. Nachdem diese ausgefallen waren, wuchsen zunaechst weiße Terminalhaare nach. Diese faerben sich nun nach und nach wieder dunkelblond und werden laenger. An einigen Stellen befindet sich das Wachstum noch im Wellushaar-Stadium. Aber hier behandle ich noch vorsichtig mit Dithranol weiter, wobei auch ich diese Behandlung als unangenehm empfinde. Dennoch hat sie bei mir angeschlagen.


Die Zeit des Haarausfalls war schrecklich fuer mich. Ich habe dennoch uneingeschraenkte Unterstuetzung von Freunden, Familie und Partner bekommen. Besonders wichtig war es fuer mich, mit allen offen darueber zu sprechen. Ich habe in diesem Forum zu Beginn meiner AA-Zeit einmal gelesen: Du musst Dich selbst so akzeptieren wie Du bist, denn nur dann gibst Du anderen die Gelegenheit, offen und ungezwungen mit Deiner Krankheit umzugehen. Genau das habe ich getan - und es hat mir eine unglaubliche Last genommen. Es gab auch bloede Momente, in denen Menschen mich ganz plump und schroff auf meine Kopftuecher angesprochen habe. Das hat mich sehr verletzt und ich war schockiert, wie Menschen so unsensibel sein koennen. Ich habe mich haesslich und vor allem unverstanden gefuehlt und meinen sozialen Kontakt sehr eingeschraenkt. Ich habe tagelang nur geweint und mich gefragt, womit ausgerechnet ich das verdient habe.

Trotzdem habe ich diese Zeit ueberstanden, zumal ich viel mit Muetzen und Kopftuechern ausprobiert habe. Dafuer habe ich ziemlich viele Komplimente von Maennern und Frauen bekommen, was mir zunehmend mehr Mut gemacht hat. Fuer mich kam uebrigens nie eine Peruecke in Frage! Als ich meine Haare abrasiert habe, habe ich Freunden, Kommilitonen usw. davon erzaehlt. Ich koennte mir nie vorstellen, mir irgendein fremdes Haar auf den Kopf zu setzen - das ueberdeckt die Probleme ja nur. Und unvorstellbar ist der Gedanke, dass das Ding verrutschen oder runterfliegen koennte... Vielen habe ich mich auch ohne Muetze/ Tuch gezeigt: wirklich eine unvorstellbare Entlastung fuer mich. Langsam habe ich dann meine Angst, mich mit Tuch zu zeigen, verloren. Zeitweise habe ich panische Angst vor Straßenbahnfahrten entwickelt und musste mit Ohnmachtsanfaellen kaempfen. Mittlerweile mache ich wieder alles das, was ich auch ohne Tuch getan haette, selbst schwimmen gehen. Ich hatte trotz AA einen ziemlich schoenen Ostsee-Urlaub Smile Nur zum Lauf- und Rudersport habe ich noch nicht zurueckgefunden, da es mit Kopfbedeckung unertraeglich heiß wird. Als Ausgleich habe ich zu Hause begonnen, taeglich bei Yoga und Pilates zu entspannen.

So ganz wohl werde ich mich mit Kopfbedeckung jedoch nie fuehlen. Ich bin daher froh, dass ich hoffen kann, in 4-6 Monaten wieder "oben ohne" gehen zu koennen. Vielleicht klappt es frueher, vielleicht dauert es noch ein bisschen laenger. Ich habe wie ihr alle aber große Angst davor, dass die AA irgendwann ploetzlich zurueckkehrt.

Was ich euch fuer diesen Fall jedoch aus persoenlicher Erfahrung mitgeben kann: Es ist kein Weltuntergang und es kann im besten Fall die eigenen Prioritaeten hinterfragen. Was ist denn wirklich wichtig in meinem Leben? Haare?

Ich moechte hiermit jedem einzelnen dieses Forums fuer seine Beitraege danken. Ich lese hier nach wie vor haeufig mit und bin erstaunt ueber die wunderlichsten Zusammenhaenge zwischen Psyche, Zaehnen, Hormonen, usw. und der Krankheit AA. Aus meiner Perspektive empfehle ich euch, euren psychischen Zustand zu hinterfragen und vielleicht ueber eine Therapie nachzudenken. Aber es macht ja den Anschein, als gaebe es keine "Universaltherapie" fuer AA. Die Krankheit scheint ja unzaehlige Ursachen zu haben.

Also bleibt dran und probiert einfach alles aus! Der Schluessel zum Erfolg ist wohl einfach Geduld und Gelassenheit Smile

Liebste Grueße,
dylan006

[Aktualisiert am: Di., 18 September 2012 18:34]


Den Beitrag einem Moderator melden

Aw: AA totalis - und jetzt wieder Haarwuchs! [Beitrag #12212 ist eine Antwort auf Beitrag #11667] :: Di., 08 Januar 2013 19:17 Zum vorherigen Beitrag gehenZum nächsten Beitrag gehen
Toller Beitrag! Danke!!


Den Beitrag einem Moderator melden

Aw: AA totalis - und jetzt wieder Haarwuchs! [Beitrag #12255 ist eine Antwort auf Beitrag #12212] :: Sa., 12 Januar 2013 13:20 Zum vorherigen Beitrag gehen
Hallo Dylan,
danke für deine tollen Beitrag.
Auch ich habe eine Psychotherapie gemacht.
Und bei mir sind es genau die gleichen Themen mit Überforderung u zu wenig Kraft.
Es würde mich sehr interessieren, was genau bei dir die Themen sind u was du nun in deinem Leben verändert hast. Ich bin noch am Anfang mit den Erkenntnissen u der Veränderung meiner Einstellung zu meinen Problemthemen.
Magst du nochmal berichten?
LG, Sali



Den Beitrag einem Moderator melden

Zur Baumansicht dieses Themas wechseln Ein neues Thema erstellen Antwort abschicken
Vorheriges Thema: Anschlag mit dem Haarausfall!!!!!!!!!!!!!!!
Nächstes Thema: Strichförmiger Ausfall
Gehe zum Forum:
  


3 wichtige Regeln
Auch wenn der Haarverlust nervt - Es gibt so viele schöne Dinge im Leben und viel schlimmere Sachen.


Die Wissenschaft und Medizin kann das Problem heute in den meisten Fällen NICHT wirklich lösen. Aufgeben gibt es nicht, denn ein bischen Glück gehört dazu - und die Chance auf eine Heilung wächst jeden Tag. Never give up.


Informiere Dich ! Dann bist Du ein respektierter Partner und Gesprächspartner für Deinen Arzt. Glaube nicht er weiss alles - aber trau auch nicht jedem Wort aus dem Internet. Unsere ausführlichen Beiträge findest Du unter Kreisrunder Haarausfall Infos