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Neuling [Beitrag #14831] :: Sat, 19.12.15 16:33 Zum nächsten Beitrag gehen
Hallo ihr Lieben,

ich bin Jule und dies ist mein erster Versuch, mich in einem Forum mit anderen über den Haarausfall auszutauschen und ich muss zugeben, ich bin ziemlich aufgeregt.

Ich bin 25 Jahre alt und habe seit 1,5 Jahren kreisrunden Haarausfall.
Es fing an mit einer Stelle hinterm Ohr, die nach einem halben Jahr sogar wieder ein paar Haare bekam. Daraufhin kam allerding eine zweite, dritte und vierte Stelle am unteren Hinterkopf hinzu und einige Monate später eine fünfte Stelle am oberen Hinterkopf. Das ist der aktuelle Stand, ich habe die meisten meiner Haare noch.

Ich versuche in Folgendem mal meine Erfahrungen, Fragen und Gedanken der letzten 1,5 Jahre mit dem Thema zu beschreiben.
Die erste kahle Stelle entdeckte mein Bruder, als ich ein Zopf hatte, sie war hinter meinem Ohr. Ich war geschockt, ich hatte keine Ahnung was mir mir los ist und ich war erschrocken, das mein Körper so etwas tut, so etwas kann. Dass ich darüber keine Kontrolle habe.
Selbstverständlich habe ich gleich nach dem Entdecken der ersten Stelle angefangen, mich zu informieren. Meine Schwester ist Friseurin und konnte mir so direkt einiges erklären. Außerdem war ich bei meiner Hausärztin und habe mit verschiedenen Hautärzten telefoniert. Diese haben mir gesagt, ich kann frühestens nach drei Monaten kommen, vorher könne man nicht mit "den Behandlungen" anfangen. Ich fand es ziemlich merkwürdig, dass ich nicht einmal einen Termin zur Erstuntersuchung angeboten bekam. Also habe ich versucht herauszubekommen, was das überhaupt für Behandlungen sind. Es ging dann um Cortison- oder Laserbehandlungen. Ich wurde nie gefragt, ob ich daran überhaupt Interesse habe. Mir wurde einfach der Termin für in drei Monaten "zum Starten der Behandlung" gegeben. Ich habe dann sehr viel im Internet recherchiert und die Termine bei den Hautärzten wieder abgesagt. Ich war sowieso schon, nach meiner Recherche noch mehr, gegen Cortison und auch von den Laserbehandlungen war ich nicht überzeugt. Ich möchte keine Behandlung vornehmen, durch die sich Besserungen zeigen und ich anfange zu hoffen und dann geht es doch weiter mit dem Haarausfall und ich will ich meine Kopfhaut nicht reizen, da sie ohnehin schon oft juckt und brennt.
An dieser Stelle ist es vielleicht auch wichtig zu erwähnen, dass ich phasenweise an depressiven Episoden leide und dass meine zwei Jahre vor Beginn des Haarausfalls sehr belastend waren. Ich habe also das Gefühl, dass mein Körper allen Grund hat, irgendwie zu zeigen, dass er überlastet ist. Ich denke ich habe den Haarausfall nicht ohne Grund, daher glaube ich dass es wichtig ist, dass ich meinen Körper stärke und den Haarausfall "von innen heraus" bekämpfe, in dem ich für mein Wohlbefinden und meine seelische & körperliche Gesundheit sorge und nicht von außen irgendwie oberflächlich daran herumdoktorn lasse.
Ich habe also Kieselerde mit Biotin und Zink genommen, ein großes Blutbild machen lassen, mich erneut mit meiner Psychotherapeutin getroffen, habe eine Entgiftungskur gemacht, war bei einer Heilpraktikerin und einer Homöopathin, habe mehr und mehr auf eine ausgewogene Ernährung und auch seelische Ruhe geachtet. Trotzdem ging es zwar langsam, aber stetig weiter mit dem Haarausfall.

Heute bin ich also, wie oben beschrieben, noch im Besitz der meisten meiner Haare, habe fünf kahle Stellen die sich hauptsächlich über den Hinterkopf verteilen.

Ich denke, ich sollte vielleicht glücklich sein, dass ich fast all meine Haare noch habe und wenn ich einen Zopf trage und ihn auf die richige Höhe setze fällt mein Haarausfall auf den ersten Blick nicht auf.
Aber ich bin nicht glücklich damit.
Ich fühle mich, als würde ich mich die ganze Zeit verstecken, ich bin immer auf der Hut, die kahlen Stellen zu verstecken. Ich frage mich, was die Leute denken, die vielleicht mal eine kahle Stelle durchschimmern sehen. Für die meisten ist kreisrunder Haarausfall kein Begriff. Denken sie vielleicht, ich habe etwas ansteckendes?
Da drängt sich mit manchmal ein Gedanke auf, für den ich mich zugleich sehr schäme und es fällt mir wirklich schwer, es hier, unter fremden auszusprechen, bzw. zu schreiben. Insbesondere, weil ich Angst davor habe, jemandem zu nahe zu treten. Ich denke, wäre mein Haarausfall weiter fortgeschritten, hätte ich es leichter. Ich denke, dann erst hätte ich die Erlaubnis darüber traurig zu sein, darüber zu sprechen und es zu zeigen. Für Köpfe gibt es Perücken, aber für einzelne Stellen kenne ich keine geeignete Ersatzhaar-Möglichkeit.
Gleichzeitig zu diesen, vielleicht total bescheuerten Gedanken, habe ich panische Angst. Ich habe panische Angst davor, dass ich immer mehr Haare verliere, ich habe Angst, dass ich mein Leben lang von dem Haarausfall begleitet werde. Man weiß doch irgendwie nie, wie es weiter geht.

Manchmal rede ich mir einfach ein, ich hätte gar keinen Haarausfall, denn wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich ihn nicht. Doch das hält immer nur für wenige Minuten. Ich weiß ja, wie mein Hinterkopf aussieht. Dann fühlt es sich wieder wie ein kleiner Schlag an. Und jedes Mal, wenn ich merke, dass eine neue kahle Stelle da ist, oder sich eine der Stellen deutlich vergrößert hat, fühlt es sich an wie an dem Tag, an dem ich die erste kahle Stelle entdeckt habe, es ist jedes Mal ein Schock. Ich frage mich manchmal ob das ist, weil ich die Stellen selbst nicht ohne weiteres sehen kann und somit immer wieder überascht werde.

Ich glaube ich habe es auch nach 1,5 Jahren immernoch nicht richtig realisiert.

Was die Behandlungen angeht, möchte ich nach wie vor kein Cortison o.ä. verwenden. Ich bin mir eigentlich sicher mit dem Weg den ich gehe, dass ich es ganzheitlich und behutsam versuche.

Immer wieder lese ich in Foren, doch nie habe ich mich getraut, auch etwas zu schreiben. Ich habe gedacht, ihr habt eure eigene Geschichte, wieso sollte euch meine interessieren. Außerdem habe ich Angst vor Kritik an meinen Gedanken und Überlegungen. Aber ich merke, dass es mir fehlt mit jemandem zu sprechen, der genau versteht worum es geht. Also ist das hier mein erster Versuch.

Liebe Grüße!

[Aktualisiert am: Sat, 19 December 2015 17:15]


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Gast
Aw: Neuling [Beitrag #14836 ist eine Antwort auf Beitrag #14831] :: Sun, 20.12.15 10:43 Zum vorherigen Beitrag gehen
Hallo Jule,

erst mal: Hut ab dass Du Dich hier so komplett "geoutet" hast!
Ich finde es total hilfreich, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und zu sehen, dass man nicht alleine ist, mit AA.

Du hast beschreiben, dass du Dich nicht gut betreut gefühlt hast, von Deinen Ärzten. Ich kann diesen Eindruck nur bestätigen. Meiner Meinung nach liegt es zwar daran, dass wir "nicht richtig" krank sind. Man leidet körperlich nicht unter AA, hat keine Schmerzen (oder "nur" Mißempfinden, wie Du) stirbt nicht an der Krankheit und so richtig helfen, kann einem auch keiner. Bei der hohen Spontanheilungsrate der Erkrankung, ist es schwer hinterher festzustellen, was den Menschen wirklich geholfen hat.

Beim Lesen Deines Beitrages habe ich den Eindruck, dass Du gut und fürsorglich mit Dir umgehst.
Mein persönliches Fazit, nach ausgiebiger Recherche ergab für mich, dass es keine wirksame/ zuverlässige/ nebenwirkungsarme Therapie gibt. (Wobei ich anmerken muss, dass ich eine Studie gefunden habe, in der die Probanden sich tatsächlich für Kortison-Schaum statt für das Placebo entschieden haben. Die Betroffenen hatten den Haarausfall ähnlich wie Du. Das könnte sich also vielleicht ist lohnen. Für mich persönlich kommt eine Kortison-Therapie nicht infrage. Leide unter AA-Totalis und werde kein Kortison einnehmen. Bin lieber Haarlos und ohne Nebenwirkungen, als Viellicht-mit-Haaren und Vielleicht-mit-diversen-unangenhmen-Nebenwirkungen für die Dauer der Einnahme).

Wie Du in den anderen Beiträgen oder in Beschreibungen der Krankheit lesen kannst, kann niemand vorhersagen, wie es weitergeht mit AA. Das finde ich das allermistigste. Wenn auch nach Jahren Haare wiederkommen um dann wieder ausfallen, Was für ein sch****!

Jeder Betroffene geht anders damit um. Einige tragen Perücken, andere Tücher und Mützen.
Ich persönlich bin von Anfang an, sehr offen damit umgegangen und habe es in meinem Freundes- und Bekanntenkreis erzählt. Gut, ich hatte innerhalb von 3 Wochen fast keine Haare mehr. Da gab es nicht viel zu verstecken Very Happy. Es hat dann noch einige Zeit gedauert, bevor ich es meinen Schülern erzählt habe (ich arbeite in der Ausbildung von medizinischem Fachpersonal) und muss sagen, ich war sehr positiv überrascht von deren Reaktion. Seitdem ist es für mich einfacher in die Schule zu gehen, und für die Schüler meine lustigen Mützen zu kommentieren. Ich persönlich, würde es immer ansprechen, wenn ich den Eindruck habe, es fällt jemanden auf. Ich signalisiere immer, daß ich auch gerne Fragen zum Thema beantworte. Je mehr die Leute wissen was man hat, desto einfacher fällt es ihnen damit umzugehen. Aber das ist, wie geschrieben, mein Weg. Deswegen wehre ich mich zur Zeit auch noch gegen eine "Perücken-prothese". Ich möchte mich nicht verstecken und so tun, dass alles in Ordnung ist. Das ist es einfach nicht.
Hast Du Deine Freunde oder Familie denn mal gefragt, wie sehr es Außenstehenden auffällt? Du weißt und Du spürst wo die Haare fehlen. Die Menschen um Dich rum, die Dich viel häufiger sehen als Du selbst, sehen es möglicherweise gar nicht so deutlich. Und wenn ja, einfach mal ansprechen. Oder wenn Du es "abtarnen" möchtest, vielleicht mit Extensions? Deine Schwester ist doch Fachfrau. Vielleicht hat sie eine Idee? Oder Du schaffst Dir ein paar schöne Haarbänder an. Dank Internet, gibt es viele Bastelideen bwz. Shops wo man Produkte kaufen kann die für Menschen wie uns sind.

Meine Glatze ist mein neues Kennzeichen und da kann man eine Menge mit machen. Terry Pratchett (englischer Autor) hatte IMMER einen Schlapphut an. Gut, er hatte auch tolle weiße Haare und Bart, aber Hey, es geht auch ohne.

Und Du mußt Dich schon gar nicht dafür schämen, daß Du unter Deinem "wenigen" Haarverlust leidest. Es gibt nichts schlimmeres, als "ich-bin-aber-kränker-als-Du". Für jeden Menschen ist es eine schlimme Diagnose. Und ob Du keine Haare auf dem Kopf oder drei Löcher hast, es ist immer schlimm. Und für Männer genauso wie für Frauen. Ein Freund von mir trägt Glatze, da er unter dem für Männer "typischen" Haarausfall leidet. Und als ich ihm erzählt habe, dass ich meine Haare verliere, hat er gesagt, wie traurig er um seine war. Haare gehören zu uns und wir wollen alle tolle schöne Haare haben. Zumindest die meisten. Und wenn dass so etwas passiert, man kann es nicht kontrollieren, es passiert einfach, paßt nicht ins Weltbild, das ist Mist. Und Du hast das volle Recht um Deine Haare zu trauern!

Ich hoffe, mein Geschreibsel hilft Dir etwas und ich wünsche Dir viel Mut und Kraft!

Freue mich, von Dir zu lesen,

Gruß Silea

[Aktualisiert am: Sun, 20 December 2015 10:46] vom Moderator


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