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anorexia nervosa - adipositas - bulimia nervosa - binge eating disorder

Studie zur Behandlung der Bulimia nervosa mit Spironolacton (Aldactone®)
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Studie und Text von Prof. Dr. Heinrich Wernze, Würzburg

Verschiedene psychologische Behandlungsmethoden wie Verhaltenstherapie oder analytische Psychotherapie, ambulant oder stationär durchgeführt, können Ess- und Brechanfälle bei Bulimie-Patienten vermindern oder komplett aufheben. Bis diese Maßnahmen greifen, vergeht oft ein längerer Zeitraum. Auch spätere Rückfälle sind nicht ungewöhnlich. Wir haben uns seit langem mit der Diagnostik und Behandlung hormonabhängiger Störungen bei der Frau wie 1) Unregelmäßigkeiten der Menstruation, 2) Überbehaarung im Gesicht und in anderen Körperzonen, 3) Haarausfall (Typ androgenetische Alopezie) und 4) hartnäckige Akne befasst.
Mitte der 80-iger Jahre wurde uns von Patientinnen dieser Gruppen berichtet, dass unter der von uns favorisierten medikamentösen Behandlung der Drang zu Süßigkeiten und das hastige Essen abnehmen, das Sättigungsgefühl aber zunimmt.
Die Ergebnisse wurden bereits 1996 bei der Tagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (Potsdam) vorgetragen. Das hat uns veranlasst, einen Behandlungsversuch mit dem Wirkstoff Spironolacton (Handelspräparat Aldactone) bei Bulimie-Patientinnen zu unternehmen. Die über 3 Jahre laufende Studie - bei inzwischen 9 Bulimie-Patientinnen - hat zu einer raschen und anhaltenden Aufhebung der bulimischen Ess- und Brechattacken geführt.

Die Ergebnisse sind in folgendem Artikel veröffentlicht:
Wernze, H.: Überraschende Wirkungen von Spironolacton auf Eßverhalten und Befindensparameter bei Bulimie. Psychopharmakotherapie, Band 7, Heft 1, Seite 33-39 (2000). [Bestellen können Sie diese Heft unter: ppt@wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de" target="_blank">http://www.uni-leipzig.de/~anorexia/ppt@wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de (22,00 DM + 2,50 Porto).]

Die positive Wirkung der medikamentösen Behandlung auf das psychische Befinden (Antriebssteigerung, Stimmungsverbesserung, Zunahme der Stressbelastbarkeit, Abnahme von Erregtheit sowie Angst) ist ebenfalls in der Arbeit dargelegt. Wir sind davon überzeugt, dass nur eine Kombination von Psycho- und oben genannter medikamentöser Behandlung den Bulimie-Patienten am wirksamsten und raschesten helfen kann. Von Vorteil ist, dass der Wirkstoff Spironolacton auch bei längerdauernder Einnahme fast keine Nebenwirkungen aufweist, nebenbei auch körperliche Symptome (z. B. Haarausfall) verbessert werden.

1. Nachtrag, 14.02.2001, Prof. Wernze:

Nach den Erfahrungen der letzten 7 Monate, in denen wir eine größere Zahl von Patientinnen mit Bulimie (mit Normalgewicht) auch der Kombination mit Anorexie, als Bulimarexie bezeichnet (meist mit Untergewicht), beraten und behandelt haben, seien folgende allgemeine und spezielle Erkenntnisse dargestellt:
Wenn wir eine medikamentöse Behandlung mit Spironolacton (Handelspräparat Aldactone®) beginnen, setzt das voraus, dass nicht nur in der Anfangsphase, sondern laufend eine kompetente ärztliche Beratung stattfinden muss. Die alleinige Medikamentenverschreibung nach dem Schema 3 x 1 Tablette täglich ist unzureichend. Es müssen immer auch Körpergewicht / BMI (= Body-Mass-Index), Blutdruck, Kontrollen der Serum-Elektrolyt-Werte, der psychologische Status sowie die Art und der Schweregrad der Essverhaltensstörung in die Verordnung einbezogen und laufend überprüft werden. Die Kenntnis der verschiedenartigen Bedingungen (Stressbelastungen), die ein unkontrolliertes Essverhalten zur Folge haben, ist auch für Dosierungsfragen wichtig. Wenig oder überhaupt nicht bekannt, aufgrund unserer gegenwärtigen Erhebungen aber gesichert, ist, dass nicht nur psychisch- emotionale sondern auch hormonale Faktoren oder Hormonstörungen bei der Frau oft Ess-Brechattacken sowie eine Verschlechterung der Stimmungslage begünstigen. Die Aufdeckung entsprechender Körpermerkmale ebenso die genaue Analyse solcher Hormon- Einflüsse kann daher - wie die Erfahrungen unserer Patientinnen zeigen - auch für die Behandlung hilfreich sein.

Unsere Erhebungen haben bestätigt, dass eine alleinige Psychotherapie (Konzept: Verhaltenstherapie oder aufdeckende analytische Therapie, auch andere Richtungen), auch wenn diese oft längerfristig ambulant sowie stationär erfolgt ist, nicht unbedingt zu einer dauerhaften Stabilisierung des Essverhaltens führt. Dies ist weltweit bekannt. Die US-amerikanische psychiatrische Gesellschaft (APA) hat - gestützt auf ein großes Expertengremium - in ihren Empfehlungen zur Verbesserung der Behandlungsstrategien bei der Bulimie bereits 1993 und 2000 ( ! ) ausdrücklich auch die Suche nach neuen Medikamenten favorisiert. Solche Wirkstoffe sollten sowohl das gestörte Sättigungs-/Hungergefühl aber auch die depressive Stimmungslage wie auch Angst beeinflussen können (American Journal of Psychiatry, Bd. 157 (Suppl.), Seite 30, 2000). Diese Wirkungsqualitäten werden bemerkenswerterweise von dem Alt-Pharmakon Spironolacton (Aldactone®) schon heute erfüllt (siehe unseren Aufsatz in: Psychopharmakotherapie, Bd. 7, S. 33-39, 2000 sowie European Journal of Clinical Pharmacology, Bd. 50, S. 534, 1996 [Abstract]).

Was die medikamentöse Behandlung betrifft sei erwähnt, dass einige Patientinnen, überraschenderweise aber auch Psychotherapeuten, Medikamenten skeptisch gegenüberstehen oder diese grundsätzlich ablehnen, weil sie sich offenbar nicht vorstellen können, dass für das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung von Essstörungen auch neurobiologische Veränderungen des Gehirnstoffwechsels mitverantwortlich sind.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen hierzu sind eindeutig genug, um den Einsatz spezifischer Medikamente zu rechtfertigen. Schon Anfang der 80-iger Jahre ist versucht worden, Pharmaka, vor allem klassische Antidepressiva, zur Stabilisierung des Essverhaltens und des psychischen Befindens bei der Bulimie einzusetzen. Gegenwärtig wird eine neuere Medikamentengruppe zur Depressionsbehandlung (Handelspräparate, z. B. Fluctin, Seroxat, Fluvoxamin, Zoloft) bei der Magersucht wie auch bei Bulimie favorisiert. Die medikamentöse Behandlung der schweren/mittelschweren Depressionen ist heute unverzichtbar, eine weltweite Erfahrung.

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine klinisch-kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von Spironolacton (Aldactone) bei Essstörungen. Darunter versteht man einen Gruppenvergleich von Bulimie-Patientinnen, die Aldactone erhalten, mit solchen, die nur ein Schein-Präparat (Placebo) bekommen.
Ärzte sind in der Verordnung auch deshalb zurückhaltend, da ihnen Spironolacton laut Indikationsliste nur als wasserausscheidendes Medikament besonders bei Herz- und Leber-Erkrankungen mit sogenannten Ödemen bekannt ist. Wer bei der Anwendung eines alteingeführten Medikamentes und auf der Basis ausführlicher Patienten-Protokolle neue Wirkungen beschreibt, die noch dazu in eine ganz andere Richtung gehen, muss auch bei Arztkollegen eine Menge Aufklärungsarbeit leisten. Von erheblichem Nachteil ist, dass Pharmaka-Hersteller notwendige Studien zu neuen Wirkungen nicht mehr unterstützen, wenn die Lizenz des Medikamentes (20 Jahre nach der Einführung, für Aldactone also bereits seit 1980) abgelaufen ist. Dies ist die betrübliche Wirklichkeit. Es kann daher nicht verwundern, dass Ärzte bei dem gegenwärtigen Kenntnisstand, zudem bei der angespannten Lage im Gesundheitswesen zögern, Verordnungen auszustellen, bzw. die Überwachung einer neuen Therapieform ablehnen. Es sei aber generell festgestellt - was für alle Pharmaka zutrifft -, dass kein Medikament bei den verschiedensten Gesundheitsstörungen bei allen Patienten die erwarteten Wirkungen aufweist. Wir weisen aber daraufhin, dass bei der Vielzahl der (zum Teil billigeren) Nachahmer-Präparate für Spironolacton Wirkungsunterschiede auftreten können! Aldactone ist in jedem Land der Welt bekannt und erhältlich, so dass auch eine Überprüfung unserer Anwendungsbeobachtungen eben mit diesem Präparat überall möglich ist.

Ob Spironolacton das gestörte Essverhalten, ebenso die negative Stimmungslage besser beeinflusst als die vorgenannten neueren Antidepressiva, können wir mangels direkter Vergleichsbefunde nicht angeben. Dennoch haben einige Bulimie-Patientinnen durchaus Vorteile entdeckt. Was die meisten der von uns mit Aldactone behandelten Patientinnen bestätigen, ist das fast völlige Fehlen von Nebenwirkungen, wenn man von den gelegentlich auftretenden (dosisabhängigen) Verschiebungen der Menstruation absieht. Der Anregung unserer Patientinnen folgend sei hier aber noch vermerkt: Als "positive Nebeneffekte" sollten die konstante Verbesserung der Schlafqualität und die Abnahme der körperlichen Schwäche und Erschöpfung genannt werden. In der Tat stellen diese positiven Begleitwirkungen, über die schon vor 10 Jahren viele Nicht-Bulimie-Patienten berichtet haben, sehr wesentliche Elemente der Verbesserung der gesamten psycho-physischen Befindenslage dar. Bedenkt man weiter, dass jede Bulimie-Bulimarexie-Patientin allein durch häufiges und fortgesetztes Erbrechen Körperschädigungen im Speiseröhren-Mundhöhlen-Zahnbereich riskiert, müsste aus ärztlicher Sicht jedwede Hilfe aufgegriffen werden, diese Negativwirkungen zu unterbinden. Das häufige Erbrechen und die oft infolge Abführmittelmissbrauch herbeigeführten Durchfälle führen zu Kalium-Verlusten mit messbarer Erniedrigung des Serum-Kalium-Spiegels. Die Anregung eines Arztes, Spironolacton allein deshalb zur Stabilisierung des Kalium-Haushalts bei Essstörungen einzusetzen, liegt bereits 10 Jahre zurück (Comerci G. D., Medical complications of anorexia nervosa and bulimia nervosa: Medical Clinics of North America Bd. 74, S. 1293-1310, 1990).

Wir bereiten zur Zeit eine 2. Veröffentlichung der neueren Ergebnisse mit Aldactone bei gut dokumentierten Bulimie-Patientinnen in englischer Sprache vor. Die Zahl dieser bereits über einen Zeitraum von 16 Wochen kontinuierlich behandelten Patientinnen ist inzwischen auf 25 angestiegen.
Wir können Personen weiterhin gern beraten, wenn sie ihre Lage darlegen. Auf einen wichtigen Aspekt sei hier aber noch hingewiesen: Es melden sich auch (häufiger jugendliche) Patientinnen mit eindeutiger Anorexia nervosa, obwohl sich unsere Erhebungen und positiven Erfahrungen auf solche mit Bulimie konzentrieren (siehe Titel). Wir sind aber nicht in der Lage anzugeben, ob und welche Patientinnen aus der Anorexie-(Magersucht)-Gruppe von der Anwendung von Spironolacton profitieren. Psychologische und genaue Essverhaltens-Profile sind für uns in jedem Fall unerlässlich, bevor eine medikamentöse Behandlung erwogen wird.

2. Nachtrag, 13.06.2001, Prof. Wernze:

Die in unserem 1. Nachtrag vom 14.02.01 gegebenen Hinweise, dass Hormoneinflüsse für die Entwicklung/Verstärkung bulimischer Essstörungen bei der Frau eine Bedeutung besitzen können, seien heute eingehender präzisiert:

I. Schon in früheren Fragebogenerhebungen (ab 1985) hat sich herausgestellt, dass eine bestimmte Gruppe von Frauen unter dem Einfluss von verschiedenen empfängnisverhütenden Tabletten (der „Pille“) eine Reihe von Befindensstörungen auf dem psychischen aber auch körperlichen Sektor erfährt. Die Probleme betreffen: Stimmungsverschlechterung, vermehrte Reizbarkeit, Ärger, Müdigkeit, Angstzustände, Appetitsteigerung, mehr Heisshunger auf Süßes, Gewichtszunahme aber auch Beeinträchtigungen der Sexualität. Diese Nebenwirkungen wurden auch von Bulimiepatientinnen registriert und bestätigt. Der größere Teil unserer Patientinnen war wegen jahrelanger ununterbrochener „Pillen“-Einnahme überhaupt nicht in der Lage, hierzu klare Angaben zu machen. Es erstaunt, wie bedenkenlos diese Wirkstoffe verschrieben und eingenommen werden und nicht realisiert wird, dass es sich um Medikamente mit beachtenswertem Nebenwirkungspotential handelt. Viele Frauen besitzen keinerlei Kenntnis, wie die „Pille“ in ihrem Körper wirkt, haben auch die Eintragungen in den Beipackzetteln nie gelesen. Sie fragen aber oft zuerst nach den Nebenwirkungen von Spironolacton (Aldactone®) – schon am Telefon. Es sei deshalb hierzu erläutert: Die meisten Medikamente zur Schwangerschaftsverhütung, die eine regelmäßige tägliche Einnahme voraussetzen, enthalten 2 synthetisch hergestellte Hormone. Diese verhindern Eireifung und Eisprung, indem sie die Bildung und Freisetzung von Steuerhormonen/Neuropeptiden in zentralen Hirnabschnitten (Hypothalamus) und der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) blockieren. Hier sind die Regelzentren lokalisiert, die bei der gesunden Frau unter normalen Bedingungen den 4-wöchentlichen Umschwung der peripheren Hormone mit entsprechenden Wirkungen auf Eierstöcke und Gebärmutter steuern. Wer also mit der hormonalen Empfängnisverhütung (Pille) diese zentralen Funktionen ausschaltet, muss auch mit den eingangs genannten Nebenwirkungen der Inhaltsstoffe der „Pille“ rechnen. Begründung: Weil es sich um Fremdstoffe handelt, also um Hormone, die nicht vom Körper produziert werden.

Diese Darlegungen bezwecken zweierlei:

1) Die Aufmerksamkeit von Bulimie-Patientinnen, aber auch die von ärztlichen und psychologischen Beratern zu wecken, um zu prüfen, ob durch solche langanhaltenden Manipulationen des Hormonhaushalts der Frau eventuell Ess- und Stimmungsstörungen unterhalten oder verschlimmert werden. Wer Frauen mit Essstörungen helfen will, muss weitaus mehr negative äußere Einflussfaktoren berücksichtigen, als diese ausschließlich im sozialen (familiären, Partner-) Umfeld, in „Verletzungen“ im Kindesalter bzw. auf der Fehlverhaltensebene (Ernährung) zu suchen. Dies sind nicht die einzigen! Die Beobachtung, dass Kontrazeptiva einen Auslösefaktor für bulimisches Verhalten darstellen, wurde erstmals in folgender Kasuistik beschrieben: R. A. Mosowitz u. A. Lingano: Binge eating associated with oral contraceptives. (Am. J. Psychiatry 1979; 136: 721-722).

2) Den Hinweis zu geben, dass 7 Patientinnen unter der beibehaltenen „Pillen“-Einnahme keine überzeugenden Effekte von Aldactone auf Essverhalten und Stimmungslage erlebt haben. Den eindeutigen Behandlungseffekt nach Absetzen der Pille haben alle Patientinnen sodann in eindrucksvollen Protokollen dokumentiert. Wer diese Sachverhalte erläutert sehen möchte, kann über uns an die gesprächsbereiten Personen vermittelt werden. Es geht generell darum, in jedem Einzelfall zu erkennen, ob evtl. Wirkungsabschwächungen von Aldactone bei gleichzeitiger Einnahme der Antibabypille auf eine Pharmakainterferenz (= gegenseitige Verstärkung/ Abschwächung einer bezweckten Medikamentenwirkung) schließen lassen.

II. Ein weiterer Hormonaspekt bei Frauen mit Essstörungen bezieht sich auf Zyklus-(Perioden-)abhängige, aber oft nicht erklärliche, Schwankungen ihres Essverhaltens und psychischen Befindens. Viele (gesunde) Frauen kennen die negative (subdepressive) Stimmungslage 2-6-8 Tage vor Beginn der Periode. Solche negativen Auswirkungen können bei Frauen mit Essstörungen oft mit einer Häufung von Ess-/Brechattacken einhergehen. Hierzu gibt es in der Weltliteratur bereits eine Reihe informativer Berichte:
M. M. Gladis: Am. J. Psychiatry 1987: 144:1592.
W. A. Price: Am. J. Psychiatry 1988; 145:1178.
W. W. W. McDaniel: Am. J. Psychiatry 1989; 146:807.
Die Aufschlüsselung solcher biologischer bzw. biopsychologischer Gegebenheiten verdient Beachtung bevor – oft in Unkenntnis – nach psychisch-emotionalen Belastungen als Auslöser für zyklusbezogene temporäre Verschlechterungen des Essverhaltens und der Stimmung gesucht wird. Wir versuchen deshalb in solchen Fällen bei der medikamentösen Behandlung der Bulimie mit Aldactone eine Optimierung durch eine Dosisvariation in der prämenstrualen Phase zu erreichen. Die Behandlung des prämenstrualen Syndroms (PMS) bei der Frau mit Aldactone ist bei uns seit 1989 eine bewährte Standardtherapie. Wer sich über dieses ebenfalls noch neue Indikationsfeld eingehender informieren will, sei auch auf die folgende informative Doppel-Blindstudie schwedischer Autoren verwiesen: W. Wang et al.: Treatment of premenstrual syndrome by spironolactone: A double-blind placebo-controlled study. Acta Obstet Gynecol. Scand 1995; 74: 803-808.

Zusammengefasst:
Es besteht hierzulande durchaus weiterer Forschungsbedarf zu den oben genannten Problemen, da man oder gerade weil man hierzu in entsprechenden Buch-Monographien zu Essstörungen im deutschsprachigen Raum keinerlei Informationen bekommen kann.

Es sei abschließend noch vermerkt:
Um einem breiteren Kreis von Behandlern (in der ambulanten oder stationären Psychotherapie) den Zugang zu einem kombinierten Vorgehen, also psychologischer und medikamentöser Therapie, zu öffnen, haben wir die Resultate von 38 Patientinnen mit Aldactonebehandlung, die über einen Zeitraum von 16 Wochen verfolgt und dokumentiert werden konnten, auf der 14. Tagung der Deutsch. Ges. für Medizinische Psychologie in Greifswald (7. Juni 2001) vorgetragen.

3. Nachtrag, 31.08.2001, Prof. Wernze:

Neue Botschaft für Patientinnen mit Bulimie

Die rasch wachsende Zahl von Nachfragen und die von uns medikamentös mit Aldactone behandelten Patientinnen mit Bulimie machen es möglich, weitere grundsätzliche Erläuterungen und Erfahrungen darzustellen.

Von Bulimie-Patientinnen werden oft folgende Zweifel vorgebracht:

„Wie kann ein Medikament eine Korrektur meines schon lange bestehenden abnormen Essverhaltens bewerkstelligen, wo es sich doch um eine psychische Erkrankung handelt?“

Dies veranlasst uns heute an Hand eines gestrafften Schaubildes (siehe Abb. 1) die Vielschichtigkeit des Krankheitsgeschehens bei der Bulimie darzulegen. Wer sich vorurteilsfrei und keiner Denkrichtung zugehörig an den neuro-biologischen und neuro-hormonalen Funktionsstörungen des Gehirns als entscheidenden Bedingungsfaktoren für gestörtes Essverhalten orientiert, sollte eine andere häufige psychische Erkrankung, nämlich die Depression in Betracht ziehen.
Kein kompetenter Arzt in der Welt kann und würde auf Pharmaka verzichten, wenn es um eine möglichst effektive Behandlung dieser Erkrankung geht. Für die Entstehung der Depression sind verschiedene neuro-biologische Funktionsveränderungen des Gehirns gesichert, die gezielt durch Pharmaka beeinflusst werden können und den Betroffenen wirksam helfen. Die Ansprechrate auf Antidepressiva kann aber je nach Schweregrad der Erkrankung und von Präparat zu Präparat variieren.

Als Primärfaktoren der Bulimie kommen in wechselndem Ausmaß eine genetisch bedingte Prädisposition und psychische sowie körperliche Traumata im Kindesalter in Betracht, die vom Zentralnervensystem registriert und festgehalten werden. Dass sozio-kulturelle Triggerfaktoren (Schlanksein, Sorge um Figur und Gewicht) eine zentrale Bedeutung besitzen, ist selbstverständlich. Mit der Entwicklung der Bulimie–Symptome rücken zentral dysregulierte Prozesse (Sättigungs- und Impulskontrollstörungen) in den Vordergrund. Das Schaubild (siehe Abb. 1) orientiert, wie eng körperliche und psychische Beeinträchtigungen den Ess- /Brechattacken folgen, wie diese aber andererseits in einem Teufelskreis an deren Aufrechterhaltung und Verstärkung beteiligt sind. Um die Verkettung zu verstehen, brauchen Sie nur die in Bildmitte senkrechtstehende Achse zu beachten, und denen von rechts und links auftreffenden Pfeilen nachzugehen, um besonders wichtige Positionen aufzufinden. Häufig herrscht eine Kombination verschiedener (vieler) solcher Einflussfaktoren vor, die Schwere, Dauer aber auch die Schwierigkeiten der Behandlung der bulimischen Symptomatik bestimmen.
Von zentraler Bedeutung ist für viele Bulimie-Patientinnen der Kasten „Mentaler Dauerstress“ mit seinen Verknüpfungen zu psychischen (Depression, Missstimmung) und körperlichen (Schwäche, Erschöpfung, Müdigkeit) Belastungen.

Selten genannt – zumindest was die wissenschaftliche Literatur angeht – ist die aus der Essensbeschaffung resultierende finanzielle Belastung/Notlage/Verschuldung. Es muss traurig stimmen, wenn nach Berichten unserer Patientinnen allein für die bulimischen Attacken pro Jahr bis zu ca. 9500 DM geopfert werden müssen. Ebenso betrüblich ist, dass dieses Geld oft durch Zusatzarbeiten (auch Nachtarbeit!) verdient werden muss. Gerade dies sind die Stressbelastungen, die bulimische Patientinnen weiter in die Enge (zu weiteren Essattacken) treiben. Ein auch in unseren Erhebungen bei vielen Patientinnen erkennbarer bedeutsamer Faktor stellen Schlafstörungen bzw. willkürlich herbeigeführter Schlaf-Entzug dar. Beide können negatives körperliches und psychisches Befinden und eine Attackenhäufung am nächsten Tag begünstigen. Insbesondere durch fortgesetzten Schlafentzug und spätes Zubettgehen werden biologisch vorgegebene Rhythmen unterlaufen, was der Wiedergewinnung der geistig-seelischen und körperlichen Gesundheit entgegensteht. Jeder kundige Mediziner weiß, dass der normale Schlaf, bei Ableitung der elektrischen Hirnstromkurven in der Nacht, in genau definierten Schlafphasen durchlaufen und von dramatischen Konzentrationsveränderungen vieler Hormonsysteme begleitet wird.

Im Zusammenhang hormonaler Veränderungen sei auch auf den schon lange bekannten Befund hingewiesen: Bulimische normalgewichtige Patientinnen, die keine „Pille“ zur Verhütung einnehmen, leiden oft unter Zyklusstörungen bis zum kompletten Zyklusausfall. Diese Abweichungen reflektieren nichts anderes als die aus dem mentalen Dauerstress (siehe Schaubild Abb.1) durch das überhöhte Stresshormon Cortisol herbeigeführte Hemmung zentraler Schaltstellen, die den Hormon–bestimmten Zyklusaufbau regulieren. Das kann auch mit einer Erniedrigung des natürlichen weiblichen Hormons Östradiol verknüpft sein. An dieser Stelle muss erneut unsere schon im 2. Nachtrag geführte Diskussion belebt werden, dass orale Kontrazeptiva ("die Pille"), wahrscheinlich häufiger als vermutet, zur Aufrechterhaltung und Verstärkung bulimischer Ess-/Brechattacken beitragen (siehe Schaubild Abb. 1). Die Zahl der Patientinnen, die diesen Sachverhalt unmittelbar belegt, ist inzwischen auf 15 angestiegen. Besonders eindrucksvoll ist dies für die Personen, die von uns mit Aldactone behandelt werden und erst nach dem Absetzen der "Pille" eine komplette Aufhebung von Ess-/Brechattacken erleben. Andere Betroffene, die mit Aldactone attackenfrei wurden, haben mit der Aufnahme der Pillen-Behandlung Rückfälle ihrer Ess-/Brechattacken mit einer Stimmungsverschlechterung erlebt. Zwei Patientinnen erkannten, dass die Bulimie mit Beginn der Pillen-Behandlung zusammentraf, die lediglich zur Beeinflussung von Zyklusbeschwerden verordnet war. Wir sind erstaunt, dass in der stationären Psychotherapie die Einnahme der Pille generell unbeachtet bleibt, andererseits aber andere psychotrope Pharmaka bei Klinikeintritt oft als unerwünscht abgesetzt werden müssen. Der Blick in den Beipackzettel jeder konventionellen Pille weist auf die Möglichkeit von Stimmungsstörungen/Depression hin, was im Rahmen der Psychotherapie von Essstörungen mit bekanntermaßen „negativen“ psychologischen Merkmalen längst Beachtung verdient hätte. Synthetisches Äthinylöstradiol und synthetische Gestagene als Wirkstoffe der Pille sind Fremdstoffe und nicht mit natürlichem (d.h. körpereigenem) Östradiol und Progesteron vergleichbar. Natürliches Östradiol auch Progesteron (Metaboliten) besitzen sogar antidepressive Eigenschaften.


Um hier die eingangs begonnene Thematik „Neurobiologie der Bulimie“ zu ergänzen sei noch auf einen anderen kaum bekannten Befund aufmerksam gemacht: Die Schmerzwahrnehmung (bei Hitze-, Kälte-Reizen, Stich-, Stossverletzungen) ist bei den Bulimie- (auch Anorexie-) Patientinnen herabgesetzt (siehe Schaubild Abb. 1 rechts unten). Die Ursachen dieser zentral-nervösen Schmerzempfindungsstörungen sind nicht restlos geklärt, der schmerzhemmende Wirkstoff Beta-Endorphin im Blut ist bei der Bulimie erhöht.

Wer die etwas laienhafte Auffassung vorbringt, dass Pharmaka nicht die Ursache der Bulimie angehen kann oder, wie selbst einige Psychotherapeuten Patientinnen gegenüber formulieren, „die Grundlagen der Krankheit nur zugeschüttet würden“, möge noch folgendes bedenken:

1. Es gibt in der Medizin viele Krankheiten (Syndrome), deren Ursache trotz intensiver Erforschung bis heute unbekannt ist (z.B. essentieller Bluthochdruck, Weichteilrheumatismus = Fibromyalgie, Reiz-Darm-Syndrom) und die dennoch Symptom-orientiert medikamentös behandelt werden müssen.

2. Werden Bulimie-Patientinnen gefragt, welches das Primärziel einer Behandlung ihrer Essstörung sei, so lautete die Antwort: “Von den Ess-/ Brechattacken befreit zu werden.“ Das waren 65 (=97%) der 67 Befragten. Ein weiterer Aspekt, der den Leidensdruck verdeutlicht, ergibt sich aus der Frage: „Stellt eine willentlich herbeigeführte Beherrschung von Ess-/Brechattacken eine außergewöhnliche körperliche und psychische Kraftanstrengung dar?“ Diese Frage wurde von 101 der Befragten in 96% Mit "Ja" beantwortet. Die Protokolle von Bulimie-Patientinnen über den Ablauf der Brechattacken und damit verbundene psychische und körperliche - z.T. als vital-bedrohlich empfundene - Begleitsymptome sind selbst für den Arzt erschreckend.

3. Wie schwierig es ist mit der – am meisten favorisierten – cognitiven Verhaltens-(Psycho)Therapie Ess-/Brechattacken am Ende eines Behandlungszyklus zu unterbinden, zeigen die Resultate einer renommierten Arbeitsgruppe (Wilson GT, Fairburn CG, Argas WS, 1997). Lediglich ca. 50% der Behandelten waren anfallsfrei. Das lässt nach neuen Wegen einer intensivierten Verhaltenstherapie suchen, die emotionale Dysregulation als Zentralproblem der Attackenauslösung zu verbessern (Safer DL, Telch CF, Agras WS: Am J Psychiatry 158; S.632-34, 2001).

4. Wer die Resultate über Langzeitverläufe von Bulimie-Patientinnen kennt, weiß, dass die Aufdeckung der Krankheitsursachen aber auch die verhaltenstherapeutischen Maßnahmen keine Gewähr abgeben, dass es nicht zu Rückfällen kommt. Eine medikamentöse Rückfallprophylaxe mit neueren Antidepressiva wird bereits praktiziert.

Zusammenfassung:
Wir hoffen, dass die Ausführungen zum Nachdenken anregen. Die Psychotherapie der Essstörungen bemüht sich z.Zt. darum, möglichst für jede Betroffene die Therapieform zu finden, auch Verfahren zu kombinieren, die die größtmöglichen Heilungschancen versprechen (siehe G. Reich, M. Cierpka: Psychotherapie der Essstörungen, G.Thieme Verlag Stuttgart 1997, Vorwort S.VII-XII).

Dennoch erkennen wir, dass viele körperliche Probleme (z.B. Schlafstörungen, Schwäche, Erschöpfung, Müdigkeit), die das Leben im Alltag und das Essverhalten von Bulimie-Patientinnen erheblich beeinträchtigen, in der Monographie keine Berücksichtigung erfahren. Auch Patientenangaben, dass bei temporären Verschlechterungen von Stimmungslage und Essverhalten immer wieder nach psychisch verursachten Anlässen gesucht wird, wo es sich nur um Hormon-bedingte Verschlechterungen in der prämenstrualen Zyklusphase handelt, finden besonders in der ambulanten Psychotherapie keine Beachtung.

Die Vorteile der Pharmaka-Wirkung (Aldactone) auf Essverhalten, psychisches und körperliches Befinden haben sich auch bei der großen Mehrzahl der jetzt von uns über 4 Monate behandelten und kontrollierten Patientinnen eindrucksvoll bestätigt. Wir betonen, dass es für uns kein „entweder / oder“ sondern ein „sowohl / als auch“ gibt. Eine Kombination von Pharmako- und Psychotherapie von Beginn an ist vor allem in solchen Fällen angezeigt, wenn bereits verschiedene psychotherapeutische Maßnahmen ambulant oder stationär erfolglos geblieben sind. Psychotherapeuten sollten hellhörig werden, wenn uns mit Aldactone rasch anfallsfrei gewordene Patientinnen berichten, dass sie erst dadurch für die Psychotherapie aufgeschlossen worden seien.
Ein ganzheitlicher Ansatz der Therapie von Bulimie muss auch die, in diesem Nachtrag genannten aber nicht beachteten Aspekte, auch des körperlichen Bereichs, ernstnehmen und angehen.


Abb. 1, siehe Text (auch als PDF)



Text und Abbildung von Prof. Dr. Heinrich Wernze, Würzburg

Eine Auswahl aktueller Beiträge (engl.) zur Pharmakotherapie bei Essstörungen


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Erstellt von Juliane Busse, 09/2001


Erfahrungsberichte Betroffener
Klinische Erfahrungsberichte
Stellungnahme Arzneimittelinformationsdienst

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verfasst von:
tino ®
08/17/2004, 16:05:26


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